1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Kasernen - ein Treffpunkt für Rechte?

Vera Kern
10. Mai 2017

Erst Franco A., dann ein zweiter Bundeswehr-Offizier - die Festnahmen rechter Terrorverdächtiger werfen Fragen auf: nach Verantwortung, Folgen und der Tragweite. Ist die Bundeswehr besonders attraktiv für Rechtsextreme?

https://p.dw.com/p/2ckP3
Uniform der Bundeswehr (Foto: picture-alliance/dpa/P. Schulze)
Bild: picture-alliance/dpa/P. Schulze

Mutmaßliche Rechtsterroristen in den eigenen Kasernen, Wehrmachtshelme und Nazisymbole ohne historische Einordnung: Der Bundeswehr-Skandal hat braune Ecken ans Licht gebracht. Und wirft den Scheinwerfer auf ein ganzes Heer an Fragen. Eine davon: Ist die Bundeswehr ein Anziehungspunkt für Rechte?

"Die Bundeswehr bietet grundsätzlich vieles, was Rechtsextremen gefällt", sagt Hauptmann Florian Kling: "Waffen, Ausrüstung, Krieg, einen harten Ton, Hierarchie." Menschen mit rechter Gesinnung fühlten sich dadurch angezogen. Kling ist Sprecher des kritischen Soldaten-Arbeitskreises "Darmstädter Signal".

Null-Toleranz-Politik gegenüber Extremisten

Eigentlich werde in der Bundeswehr seit Jahren eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Extremisten gelebt, betont Offizier Kling im DW-Gespräch. Aber wie erkennt man überhaupt einen Soldaten mit rechtsextremer Gesinnung? "Heute geht kein Neonazi mehr offen vor, indem er mit Hitlergruß, Swastika an der Wand und Hakenkreuz auf der Brust in die Kaserne läuft", sagt der Hauptmann. Wer extrem denke, der verstecke seine Haltung.

Die Bundeswehr sei kein Hort für Rechtsradikale, keine Brutstätte des Rechtsterrorismus. Das betonen viele Experten dieser Tage. Die Mehrheit der Soldaten stehe fest hinter demokratischen Werten. Aber es scheint Bedingungen zu geben, die rechtsextremes Gedankengut begünstigen.

Die Bundeswehr - ein Spiegel der Gesellschaft?

Ein Grund: Die Abschaffung der Wehrpflicht. Eigentlich, so das Idealbild, soll die Bundeswehr die Gesellschaft widerspiegeln. Doch seit niemand mehr zum Armee-Dienst verpflichtet wird, sind die Kasernen weniger sozial durchmischt, so die Kritik. Michael Wolffsohn, ehemaliger Historiker an der Bundeswehr-Hochschule in München, sieht darin das Hauptproblem.

Mit der Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht öffne sich die Armee Kreisen, die eine viel stärkere Nähe zu Streitkräften, zum Militär und zu Gewalt hätten. "Jede Streitkraft, in der es keine allgemeine Wehrpflicht gibt, ist kein Spiegel der Gesellschaft mehr, sondern zieht in überproportionaler Weise extremistische Kräfte an", sagt Wolffsohn in einem Interview mit dem Radiosender Deutschlandfunk.

Bundeswehr-Soldaten vom Jägerbataillon 291 in Illkirch-Graffenstaden  (Foto: Getty Images/AFP/F. Florin)
Soldaten in Illkirch-Graffenstaden, wo der mutmaßliche Rechtsterrorist Franco A. stationiert warBild: Getty Images/AFP/F. Florin

Auch Florian Kling bemängelt die fehlende soziale Durchmischung. Früher hätten sich rund 70 Prozent der Zeit- und Berufssoldaten erst während ihrer Wehrpflicht dafür entschieden, auch weiter in der Bundeswehr zu bleiben: "Dadurch gab es eine Durchmischung, vielleicht auch von liberaleren, kritischeren, linkeren Geistern, die das System heterogener gestaltet haben."

Es gibt jedoch auch Stimmen, die in den radikalen Gesinnungen mancher Soldaten vor allem die gesellschaftliche Realität wiedererkennen. Marco Seliger, Chefredakteur des Magazins "Loyal", einem Magazin des Reservistenverbandes, hält die Bundeswehr nach wie vor für einen Spiegel der Gesellschaft. Seit geraumer Zeit gebe es in der Gesellschaft teilweise sehr radikale Tendenzen am rechten, linken und am islamistischen Rand. Diese Tendenzen, so der Militärjournalist, zeigten sich nun auch in der Bundeswehr. Der beunruhigende Unterschied sei, dass Soldaten Uniformen tragen, Zugang zu Waffen haben und schießen lernen.

Dass sich rechte Meinungen und radikale Ansichten in der Kaserne verbreiten können, sei auch ein strukturelles Problem, kritisiert der Reservist Seliger. Vorgesetzte hätten nicht mehr so viel Zeit, sich mit ihren Soldaten zu beschäftigen. "Ein Kompaniechef erstickt heute in Bürokratie. Der hat so viel Papierkram, dass er sich kaum darum kümmern kann, was seine Soldaten im Einzelnen machen", sagt Seliger. Nach europäischer Arbeitszeitverordnung gilt auch in der Bundeswehr die 41,5-Stunden-Woche. Da bleibe keine Zeit mehr, sich abends bei einem Bier kennenzulernen - und radikale Tendenzen frühzeitig herauszuhören.

Umstrittene Wehrmachtssymbole 

Die Gefahr, die von Nazi-Symbolen ausgehen kann, scheint jedenfalls bislang kaum jemand wahrgenommen zu haben. Stahlhelme aus der Nazizeit, Soldatenbilder, Kasernen, die nach Nazi-Offizieren benannt sind - in vielen Kasernen gibt es Erinnerungen an das dunkle Kapitel deutscher Geschichte von 1933 bis 1945. Der umstrittene Traditionserlass von 1982 erlaubt Wehrmachtsdevotionalien - vorausgesetzt, sie werden mit "geschichtlicher Einordnung" gezeigt. Die Nazi-Zeit verklären, das sieht der Erlass nicht vor.

Viele moderat gesinnte Soldaten mögen von derlei Symbolik auch kaum Notiz genommen haben. Bei Rechtsextremen kommt aber möglicherweise eine andere Botschaft an. "Rechte Soldaten fühlen sich dadurch ermutigt", vermutet Florian Kling vom Arbeitskreis "Darmstädter Signal". Er sieht in den Erinnerungsstücken aus der Wehrmachtszeit einen möglichen Grund, der den "Wildwuchs in Kasernen" erkläre.

Dass dieser Umgang mit Tradition höchst problematisch sein kann, hat nun auch das Verteidigungsministerium erkannt. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat angekündigt, den Traditionserlass bis zum Herbst überarbeiten zu wollen. Zumindest dieser mögliche Anziehungspunkt für Rechtsradikale fiele dann weg.