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Jean-Claude Trichet erhält Karlspreis

2. Juni 2011

Jean-Claude Trichet gilt als unermüdlicher Kämpfer für einen stabilen Euro. Dafür hat der Chef der Europäischen Zentralbank jetzt den renommierten Karlspreis erhalten. Doch einige finden, dass er ihn nicht verdient.

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Karlspreis-Medaille mit dem Preisträger Jean-Claude Trichet (Foto: dpa/DW Fotomontage)
Zum 52. Mal wird die Medaille vergeben - diesmal an Jean-Claude TrichetBild: dpa/DW-Fotomontage

Jean-Claude Trichet ist seit acht Jahren "Mr. Euro". Seit 2003 steht er an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB). Zuvor hatte er zehn Jahre die französische Notenbank geführt. Der Absolvent der Elitehochschule Ecole Nationale d'Administration (ENA) verfügt über eine breite Ausbildung: Neben dem Abschluss als Ökonom erwarb er Diplome in Politikwissenschaften und als Bergbauingenieur.

In seiner Zeit als EZB-Präsident hat sich der Franzose unermüdlich für den Euro eingesetzt, für die Stabilität der europäischen Gemeinschaftswährung. Dieses Ziel war nicht immer leicht zu erreichen, aber die EZB hat bewiesen, dass sie es trotz Schuldenkrise ernst meint. Das zeigte sich wieder Anfang März: Völlig überraschend kündigte der EZB-Präsident da an, im April die Zinsen erhöhen zu wollen.

Dem Geldwert verpflichtet

Ehemaliger EZB-Chef Wim Duisenberg (Foto: unbekannt)
Ex-EZB-Chef Wim Duisenberg: Nahm 2002 den Preis entgegen - allerdings stellvertretend für den EuroBild: AP

Überraschend deshalb, weil die Finanzmärkte nicht geglaubt hatten, dass die Notenbank die Zinsschraube anziehen werde, weil sie damit die Lage der Peripherieländer nicht gerade erleichtert. Doch Schuldenkrise hin oder her - für die EZB zählt die Preisstabilität, darüber wacht sie. Die EZB könne die Preise für Öl und Rohstoffe natürlich nicht ändern, aber sie könne ein Übergreifen auf die anderen Preise verhindern, begründete Trichet die avisierte Zinserhöhung der Notenbank im April.

Denn oberstes Ziel der Euro-Währungshüter ist die Verankerung der Inflationserwartungen auf mittlere und lange Sicht. Kurzfristig kann die Inflation - etwa bedingt durch Preissprünge bei den Rohstoffen - schon einmal ausbrechen. Aber auf mittlere Sicht sollen die Bürger, die Finanzmärkte und die Regierungen wissen, dass sie mit Preisstabilität rechnen können.

Wie ein Mantra wiederholt der oberste Euro-Währungshüter dieses oberste Ziel der EZB-Politik bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit und er hat damit in den acht Jahren seiner Amtszeit Erfolg gehabt. So sehen es jedenfalls die Beobachter der EZB wie etwa Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz: Trichet habe immer wieder ohne Unterlass versichert, dass die Grundlage der Geldpolitik die Preisstabilität ist. "Damit hat er eine sehr solide Politik umgesetzt und einen guten Job gemacht."

Einer der Trichet-Kritiker: Axel Weber

Griechische Flagge steht auf Euro-Münzen (Foto: DW)
Die EZB kaufte, wovon Privatbanken die Finger ließen: Griechische StaatsanleihenBild: fotolia

Diese Einschätzung haben vor allem seit dem Mai nicht alle EZB-Beobachter geteilt. Auch nicht der damals noch amtierende deutsche Bundesbankchef Axel Weber, selbst EZB-Ratsmitglied. Viele waren entsetzt, als die Notenbank am 9. Mai des vergangenen Jahres verkündete, sie werde Staatsanleihen von Griechenland kaufen. Und nicht nur von Griechenland: Auch die anderer schuldengeplagter Peripheriestaaten der Eurozone erwarb die EZB.

Für viele war das ein Tabubruch, eine Aufgabe der Unabhängigkeit der Zentralbank. Die Notenbank habe damit die Märkte beruhigen wollen, meint Allianz-Chefvolkswirt Heise. Auch sie hatte damals wohl nicht ahnen können oder wollen, dass das eine Hilfspaket für Griechenland wohl nicht ausreichen dürfte. Immerhin aber entzieht die EZB dem Markt die Liquidität, die sie über den Staatsanleihen-Kauf in die Finanzmärkte hinein gibt.

Krisenzeiten hinterlassen Spuren

EZB-Chef Jean-Claude Trichet (Foto: ap)
Jean-Claude Trichet: Hatte mit der Finanz- und Wirtschaftskrise eine schwere ZeitBild: dapd

Die Vorwürfe der Kritiker haben dem EZB-Präsidenten dennoch zugesetzt, auch das erhöhte Arbeitspensum seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Spuren sind ihm inzwischen anzusehen, obwohl er immer noch ausgesucht höflich, wenn auch bestimmt agiert. Insgesamt aber zweifeln die Märkte nicht an der Glaubwürdigkeit der immer noch jungen EZB.

Im Herbst geht die Amtszeit des 1942 in Lyon geborenen Trichet zu Ende. Der Karlspreis, der ihm an diesem Donnerstag (02.06.2011) verliehen wurde, dürfte diese Karriere krönen. Er erhält ihn als Auszeichnung dafür, dass er sich für einen stabilen Euro eingesetzt und die Wettbewerbsfähigkeit des Europäischen Binnenmarktes gesichert hat.

Diesen Erfolg habe die EZB im Team erzielt, sagte Trichet Anfang Mai bei der Amtseinführung von Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Es sei nicht Glück allein gewesen, auch Können, wandelte er ein Zitat des ehemaligen Bundesbankpräsidenten Axel Weber ab. "Und Beharrlichkeit", fügte er hinzu. Das Eurosystem ist, so meint er jedenfalls, "für die Zukunft sehr gut gerüstet". Im November gibt er sein Amt voraussichtlich an den italienischen Notenbankchef Mario Draghi ab.

Autorin: Brigitte Scholtes

Redaktion: Jutta Wasserrab