Karlspreis 2002 für den Euro
13. Mai 2002Wenn Wim Duisenberg den internationalen Karlspreis für den Euro entgegennimmt, ist Bertha von Suttner nicht weit. Die 1914 gestorbene Friedensnobelpreisträgerin sei «die mobilste Frau Europas», sagt der Freiberger Professor Dietrich Stoyan, der seit Anfang des Jahres die Vermischung der Euro-Münzen in den zwölf Staaten der Währungsunion untersucht. Suttner verdankt ihre postume Mobilität ihrem Platz auf der Rückseite der österreichischen Zwei-Euro-Münze. Geld aus dem Reiseland Österreich findet seinen Erkenntnissen zufolge am schnellsten den Weg in deutsche Portemonnaies - und damit wahrscheinlich auch in die Taschen der Ehrengäste bei der Verleihung des Karlspreises an den Euro.
Im Gegensatz zu österreichischischen Münzen schreitet die Verbreitung der Geldstücke aus den anderen Euro-Staaten in Deutschland aber eher gemächlich voran. Nicht mal jede 20. Münze in deutschen Geldbörsen stamme derzeit aus dem Ausland, schätzt Stoyan. «Der Anteil wird unter fünf Prozent liegen, vielleicht sogar erst bei drei Prozent.» Der Mathematiker von der Technischen Universität Freiberg glaubt nicht mehr an optimistische Prognosen, wonach sehr rasch der spanische König Carlos oder die französische Marianne einen festen Platz neben dem Bundesadler, Brandenburger Tor und Eichenlaub im Geldbeutel der Deutschen finden werden.
Stoyan sammelt seit Anfang des Jahres per E-Mail unter der Adresse [email protected] Meldungen, wo ausländische Euro-Münzen auftauchen. Die Ergebnisse veröffentlicht der Statistik-Professor unter der Internet-Adresse http://www.euro.tu-freiberg.de. Ausgangspunkt der Freiberger Studie war, dass die acht Münzen im Wert von ein Cent bis zwei Euro je nach Herkunftsland unterschiedliche Rückseiten haben - und damit im Gegensatz zu den Scheinen unterscheidbar sind. Über 50 Milliarden Münz-Rohlinge hatten die an der Einheitswährung beteiligten Länder zu Euros und Cent geprägt, alleine aus Deutschland stammen davon 17 Milliarden Münzen, gefolgt von Frankreich mit 8,1 Milliarden und Spanien mit sieben Milliarden.
Stoyan geht in seiner mathematischen Überlegung davon aus, dass sich die Verteilung der Münzen im Geldbeutel irgendwann in ganz Europa der Präge-Häufigkeit anpasst: Dann würde die griechische Hausfrau genau wie der portugiesische Fischer ein Drittel Münzen mit deutscher Prägung haben, während die Deutschen zu mehr als 60 Prozent mit Euros und Cent aus Frankreich, Italien, Spanien, Österreich oder den anderen Euro-Ländern bezahlen.
Bei der Verteilung des Gelds spielen besonders die Urlauber und beruflich Reisende eine große Rolle. So tauchten in Deutschland mit der Ski-Saison eben zunächst am Häufigsten Münzen aus Österreich auf. «Wäre der Euro im Sommer eingeführt worden, wären es wohl Münzen aus Spanien oder Italien gewesen», sagt Stoyan. Doch so oft die Währungen aus den beliebten Urlaubs-Ländern mitgebracht werden, so selten ist es etwa bei den weniger besuchten Ländern und Ländern, aus denen nicht regelmäßig Arbeiter nach Deutschland pendeln. «Die Chancen, Münzen aus Irland oder Finnland zu finden, sind schlecht.»
Bei den Münzwerten gibt es ebenfalls Unterschiede: So tauchen eher 1- oder 2-Euro-Münzen als Cents auf. «Kleine Münzen sind ortstreu», sagt Stoyan und führt dies darauf zurück, dass jeder Reisende eher große Münzen mitnimmt.
Zehn Prozent der Euro-Münzen sollten bis zum Ende des Jahres hierzulande aus dem Ausland stammen, hatte Stoyan zu Beginn seines Euro-Projekts erwartet. Bis Ende 2006 sollen nach seinen Berechnungen 30 Prozent aller Münzen in Deutschland aus dem Ausland stammen, andere Wissenschaftler gehen sogar von 60 Prozent aus.
«Man muss aber sagen, dass solche Prognosen zutiefst unsicher sind und einen Charakter von Tollkühnheit haben,» räumt der Wissenschaftler ein. Besonders die Sammler verzerrten das Bild, weil sie ausländische Stücke aus dem Verkehr zögen, klagt Stoyan. Richtig sauer kann er darüber aber nicht sein: Seine Frau Helga sucht selbst regelmäßig ausländische Euros aus ihrem Geldbeutel und legt diese zur Seite.
Quelle: AFP