Karl May: Vor 175 Jahren wurde Winnetous Erfinder geboren
Winnetou war der Harry Potter des 19. Jahrhunderts - und sein Schöpfer Deutschlands erster Bestsellerautor: Karl May. Vor 175 Jahren wurde er geboren. Eine Zeitreise in Bildern.
Deutschlands erster Bestsellerautor
Karl May im Jahr 1910, auf dem Höhepunkt seines Erfolges. 70 Bücher hatte er da geschrieben, die sich bis heute weltweit über 200 Millionen Mal verkauften. Seine Helden sind zu Beginn des 20. Jahrhunderts so bekannt wie heute Joanne K. Rowlings Harry Potter oder Luke Skywalker aus "Krieg der Sterne". Sie begleiteten Generationen junger Deutscher auf fantastische Reisen in ferne Welten...
Winnetou und Old Shatterhand
...wie den Wilden Westen der USA. Old Shatterhand, ein deutscher Ingenieur, kämpft mit seinem Blutsbruder Winnetou gegen Schurken und Gauner, bis zu Winnetous frühem Tod (hier gemimt von Lex Barker (r.) und Pierre Brice (l.) in "Im Tal des Todes"). Mit dem echten Wilden Westen hat das moderne Märchen wenig gemein: Als Karl May 1875 Winnetou erfand, hatte er Deutschland noch nie verlassen.
Karl Mays Geburtshaus in Hohenstein-Ernstthal
Geboren wird Karl Friedrich May am 25. Februar 1842 als Kind armer Weber in diesem grünen Haus im sächsischen Erzgebirge. Neun seiner 13 Geschwister sterben als kleine Kinder. Karl will Lehrer werden, doch kleinere Diebstähle bringen ihn mehrmals ins Gefängnis. Danach schlägt er sich mit Gelegenheitsjobs und Hochstapeleien durch - bis er 1874 einen Job als Autor für Unterhaltungsromane findet.
Karl May als Old Shatterhand
May schreibt Fortsetzungsromane für mehrere Zeitschriften und Hefte. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verwischen: Er wird zum Ich-Erzähler seiner Romane und berichtet von Reisen, die er selbst erlebt haben will. Für Fotos lässt er Kostüme anfertigen: Hier posiert er als sein Alter Ego Old Shatterhand. Lederjacke, Lasso und Tierzahnkette sind im Karl-May-Museum in Radebeul ausgestellt.
May mit seiner ersten Frau Emma Pollmer
1878 zieht May mit seiner Freundin Emma Pollmer zusammen, 1880 heiratet das Paar. May schreibt Tag und Nacht, verdient jetzt so viel, dass er eine Wohnung in Dresden mieten kann. Er beginnt die Arbeit an seinem erfolgreichen Kolportageroman "Das Waldröschen", der seinen Helden, den deutschen Arzt Dr. Karl Sternau, rund um die Welt führt.
Winnetou-Trilogie wird Kassenschlager
In den 1890er Jahren veröffentlicht May dann die Bücher, die ihn reich und berühmt machen werden: "Der Schatz im Silbersee", die Winnetou-Trilogie, "Durchs wilde Kurdistan", "Im Lande des Mahdi" und "Der Schut" sind darunter. Aus dem fantasiebegabten Hochstapler und Gelegenheitsbetrüger ist ein erfolgreicher Schriftsteller geworden.
Ein Deutscher im Orient: Kara Ben Nemsi
Auch mit dem Ich-Erzähler seiner Orientbücher identifiziert sich May. Mit Kara Ben Nemsi entsteht ein weiteres Alter Ego des Schriftstellers. Die Geschichten des "Orientzyklus" sind von den zeittypischen kolonialen Vorstellungen geprägt, rufen aber auch zum Dialog der Völker auf. In den Nahen Osten führt schließlich Mays erste echte Fernreise: 1899 bricht er Richtung Ägypten auf - als Tourist.
Nach Amerika - mit seiner zweiten Frau Klara
Als Karl May 1903 seine zweite Frau Klara Plöhn heiratet, ist er reich, aber umstritten: Immer wieder gibt es Klagen wegen Hochstapeleien und Plagiatsvorwürfe. Die Streitigkeiten zehren an seiner Gesundheit. Dennoch bricht er 1908 zu seiner zweiten großen Reise auf - mit Klara nach Nordamerika. Weiter westlich als bis zu den Niagarafällen kommt er allerdings nicht.
Klassiker für Generationen
Am 30. März 1912 stirbt Karl May in Radebeul bei Dresden. Seine Werke werden zu Klassikern der Populärliteratur, die grünen Bände stehen über Generationen in zahlreichen deutschen Haushalten. Nur in der DDR werden sie lange nicht verkauft, führen sie ihre Leser doch in Welten, die die meisten DDR-Bürger nie zu sehen bekommen sollten. Sie durften ja nur in "sozialistische Bruderstaaten" reisen.
Winnetou für 80 Pfennig
In der Bundesrepublik lösen die in den 1960er-Jahren gedrehten Winnetou-Filme einen anhaltenden Boom aus. Auf den Karl-May-Freilichtbühnen werden die Geschichten bis heute aufgeführt. Die wohl größte Ehre erweist May 1987 die Deutsche Post: mit einer Sondermarke zum 75. Todestag. Heutzutage steht May auch in der Kritik: wegen der klischeehaften Darstellung der Indigenen.
Zum Weiterlesen:
Thomas Kramer: Karl May. Ein biografisches Porträt, Freiburg im Breisgau 2011
Rüdiger Schaper: Karl May: Untertan, Hochstapler, Übermensch, München 2011
Helmut Schmiedt: Karl May oder Die Macht der Phantasie, München 2011
Michael Petzel und Jürgen Wehnert: Das neue Lexikon rund um Karl May, Göttingen und Berlin 2002