Karl Marx: Fünf Dinge, die er seiner Zeit voraus hatte
10. Februar 20221. Marx heiratete eine Partnerin auf Augenhöhe
Ohne sie wäre sein Werk nicht möglich gewesen: Jenny Marx (1814 - 1881), geborene Johanna Bertha Julie Jenny von Westphalen, war nicht nur Journalistin, sondern auch Karl Marx' erste kritische Leserin. Sie diskutierte mit ihm wie auch mit dem Publizisten und Philosophen Friedrich Engels und arbeitete am "Manifest der Kommunistischen Partei" mit. In der einzigen handschriftlichen Fassung des Manifests, die erhalten ist, sind die ersten Zeilen von ihr geschrieben.
Als Journalistin verfasste sie Texte über die Märzrevolution in Deutschland und Kritiken zu William Shakespeare für die renommierte "Frankfurter Zeitung", außerdem verhandelte sie mit Verlegern und sprach eine Reihe von Fremdsprachen - besser als ihr Mann. Das war gut so, denn die Familie Marx musste die meiste Zeit ihres Lebens im Exil verbringen. Friedrich Engels nannte sie und ihren Mann die beiden "hochbegabten Naturen" und sagte über Jenny nach ihrem Tod, "ihren kühnen und klugen Rat" würden sie von nun an bitterlich vermissen.
2. Marx half, den Achtstundentag wahr werden zu lassen
1866 wirkten Karl Marx und Friedrich Engels daran mit, den Achtstundentag zur offiziellen Forderung der Internationalen Arbeiter Assoziation zu machen. Schon in den 1810er-Jahren soll der Waliser Robert Owen in Großbritannien den Slogan geprägt haben, der auch auf dieser Taschenuhr aus der Ausstellung abgebildet ist: "Acht Stunden arbeiten, acht Stunden schlafen und acht Stunden Freizeit und Erholung."
In Großbritannien wurde der Achtstundentag für Festangestellte jedoch niemals gesetzlich festgeschrieben. In Kanada ist er hingegen schon seit 1899 im Gesetz verankert, in Frankreich seit 1919, in den USA seit 1938. Auch in Deutschland wurde der Achtstundentag gesetzlich eingeführt, erstmalig im Jahr 1918. Seitdem ist das Gesetz aber wieder aufgeweicht worden. Inzwischen werden Sechsstundentage in mehreren europäischen Ländern erprobt.
3. Marx ist eine Ikone der modernen "Occupy"-Bewegung
Am 17. September 2011 besetzten Demonstranten unter dem Motto "Occupy Wall Street" den Zuccotti Park im Bankenviertel New Yorks. Sie protestierten gegen ein Wirtschaftssystem, in dem einige Wenige immer reicher, die große Mehrheit aber immer ärmer wird und forderten eine stärkere Kontrolle des Banken- und Finanzsektors durch die Politik. Die "Occupy"-Bewegung dehnte sich bald rund um den Globus aus. Sie machte sich ein Porträt von Marx zu eigen und verschaffte ihm, ausgestattet mit dem griffigen Slogan "Ich hab euch doch gesagt, dass ich recht habe" den Status einer modernen Ikone.
Denn besonders seit der Bankenkrise im 21. Jahrhundert erfahren Marx' Schriften wieder weltweite Aufmerksamkeit. Er gilt noch immer als einer der wichtigsten Kritiker des Kapitalismus. Sein Erbe aber ist ambivalent: Von den sozialistischen Diktaturen wie der Sowjetunion oder DDR wurde der Ökonom Karl Marx immer wieder vereinnahmt, um ihren Unrechtsstaat zu rechtfertigen. Auch seine Haltung zu jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ist umstritten. Seine Schrift "Zur Judenfrage" (veröffentlicht erstmals 1844) wurde zu Zwecken antisemitischer Propaganda genutzt, so zum Beispiel von der Kommunistischen Partei in den 1920er-Jahren in Deutschland.
4. Marx betrieb Forschung auf höchstem Niveau - und inspiriert bis heute
Viele Wirtschaftswissenschaftler auf der ganzen Welt greifen noch heute die Schriften des Ökonomen Karl Marx auf. So veröffentlichte zum Beispiel der französische Ökonom Thomas Piketty 2013 sein Buch "Das Kapital im 21. Jahrhundert", mit direkter Bezugnahme auf Karl Marx' wegweisende Studie "Das Kapital" (1867).
Piketty stützt sich auf Marx' Analysen und kommt zu dem Schluss, dass seit Mitte des 20. Jahrhunderts in den Industrienationen einige wenige Menschen immer mehr Vermögen besitzen. Diese Zunahme der Ungleichheit gehöre zum Kapitalismus, folgert er, und dies gefährde die Demokratie. Sein Buch stieß weltweit Debatten über die Zukunft des Kapitalismus an.
Die erste Originalausgabe von "Das Kapital" aus Marx' Besitz mit seinen handschriftlichen Notizen ist seit 2013 Teil des UNESCO-Weltdokumentenerbes. Damit reagierte die UNESCO auf einen gemeinsamen Vorschlag der niederländischen und der deutschen Regierung.
5. Marx war Weltbürger
Marx beeinflusste die politische Debatte in vielen Ländern - wie Frankreich, Großbritannien, den USA, Indien oder Russland - und lebte auch in einigen davon. Mehrfach hat man ihn wegen Aufruhrs des Landes verwiesen. Der Vordenker einer "proletarischen Revolution" verbrachte fast sein ganzes Leben als Staatenloser im Exil. Nach seiner Heirat begab er sich mit Jenny Marx nach Paris. Dort begann auch seine Zusammenarbeit mit Friedrich Engels, dem Sohn eines wohlhabenden Fabrikanten.
Als die preußische Regierung seine Ausweisung verlangte, zogen Jenny und Karl Marx nach Brüssel, gefolgt von Friedrich Engels. Dort begannen sie mit der Arbeit an einer Programmschrift, aus der das Kommunistische Manifest werden sollte. Es endet mit dem heute weltbekannten Aufruf: "Proletarier aller Länder, vereinigt euch!" Auch aus Belgien wurde die Familie Marx ausgewiesen und fand schließlich 1849 Zuflucht in London. Hier lebten Jenny und Karl Marx bis zu ihrem Tod. Jenny verstarb am 2. Dezember 1881, Karl am 14. März 1883. Fast 200 Jahre nach seinem Tod verkauft sich sein Werk so gut wie lange nicht.
Die Ausstellung "Karl Marx und der Kapitalismus" im Deutschen Historischen Museum in Berlin läuft vom 10. Februar 2021 bis 21. August 2022.