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Gesellschaft

Aus dem Senegal in den Bundestag

Daniel Pelz
22. November 2016

Vollwaise im Senegal, Student in der DDR, erster Bundestagsabgeordneter mit afrikanischen Wurzeln: Karamba Diaby hat in Berlin seine Biografie vorgestellt. Ein Buch mit der Botschaft: Aufgeben geht nicht.

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SPD-Landesparteitages Sachsen-Anhalts in Magdeburg Dr. Karamba Diaby
Bild: picture-alliance/dpa

Gut für Karamba Diaby, dass es die Kleingärten gab. Für seine Doktorarbeit erforscht der gebürtige Senegalese in den neunziger Jahren die Schadstoffbelastung des Gemüses in den Gärten von Halle. Acht Monate baut er dort Kohlrabi, Porree und Sellerie an, nimmt Bodenproben, erntet. Und kommt mit Hobbygärtnern ins Gespräch. 

"Die Begegnungen haben mir geholfen, tief in diese Gesellschaft hineinzuschauen", erzählt Diaby bei der Vorstellung seiner Biografie in Berlin. Er trifft damals auf Ingenieure, Krankenschwestern, Arbeitslose, Rentner. Freundschaften entstehen - nicht nur zu den Kleingärtnern. Seit 30 Jahren lebt der 54-Jährige schon in Halle. Als "waschechten Ossi" bezeichnet er sich heute. Doch dazu brauchte es mehr als den Kleingarten.

Dankbarkeit als Lebensmotiv

In seinem Buch "Mit Karamba in den Bundestag. Mein Weg von Senegal ins deutsche Parlament" erzählt er, wie aus dem senegalesischen Waisenkind der erste afrikanischstämmige Bundestagsabgeordnete wurde. "Ich habe mich entschieden, das Buch zu schreiben, weil viele Menschen immer gesagt haben 'Wow, das musst Du mal aufschreiben', wenn ich von meinem Leben erzählt habe", sagt Diaby im DW-Gespräch.

SPD-Landesparteitages Sachsen-Anhalts in Magdeburg Dr. Karamba Diaby
"Waschechter Ossi": Karamba Diaby auf dem Marktplatz von HalleBild: picture-alliance/dpa

Er ist in der Tat ein begnadeter Geschichtenerzähler. Ständig bringt er das Publikum zum Lachen, als er das Buch in Berlin vorstellt. Egal ob er über seine ersten Erfahrungen mit deutscher Ordnung berichtet ("kam damit erstmal gar nicht klar") oder seine Lobeshymnen auf das deutsche Kleingartengesetz ("wenn sich alle daran halten, hat man Spaß").

Dabei ist sein frühes Leben hart: Diaby wächst als Vollwaise im Senegal auf. Bis zum Gymnasium schafft er es, sich finanziell durchzuschlagen. Doch auf der Universität wird das Geld knapp. Diaby bewirbt sich für ein Stipendium im Ausland. 1985 kommt er in die damalige DDR und studiert Chemie.

Ein Wort fällt immer wieder, wenn er über sein Leben spricht: Dankbarkeit. "Ich war dankbar, dass ich ohne Eltern studieren konnte und die Garantie auf sechs Jahre Förderung hatte", sagt Diaby über seinen Neustart in der damaligen DDR. Auch privat war diese Zeit für ihn ein Glücksfall: Er verliebt sich in eine Kommilitonin. Die beiden sind bis heute verheiratet.

Erfahrungen mit Rassismus

Deutschland Karamba Diaby Bundestagsabgeordneter bei der Vorstellung seiner Biografie
Diaby bei der Vorstellung seines Buches in BerlinBild: DW/D. Pelz

Das Buch ist gibt auch Einblicke in ein Stück deutscher Zeitgeschichte. Die Wiedervereinigung 1990 bedeutet auch für Diaby einen Einschnitt. Mit der DDR verschwindet sein Stipendium. Diaby weiß nicht, ob er weiter in Deutschland studieren kann. Schließlich übernimmt der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) seine Förderung. Wieder etwas, wofür er noch bis heute dankbar ist.

In den neunziger Jahren lernt er aber auch, was Massenarbeitslosigkeit ist. Trotz erfolgreicher Promotion findet er lange keinen festen Job. Rechtsradikale greifen ihn in der Straßenbahn an, Diaby ist froh, dass sie nur seine Brille zerstören.

Offen spricht er in seinem Buch auch über Alltagsrassismus. Dem Berliner Publikum erzählt er, wie er sogar als Parlamentarier damit konfrontiert wird. Zum Beispiel, wenn die Kassiererin in der Bundestagskantine ihm am ersten Tag nicht glauben will, dass er Abgeordneter ist.

Eine Geschichte, die Mut machen soll

"Ich lache darüber, aber Sie müssen sich vorstellen, wie viele Leute in dieser Gesellschaft ähnliche Sachen erleben und nicht die gleichen Privilegien haben wie ich: Das Privileg, das man die Sprache kann und wie ich in einer Position zu sein, wo man ein Sprachrohr hat. Die vielen hunderttausend Flüchtlinge, die so etwas am Bahnhof erleben, haben das nicht", sagt Diaby.

Im Wahlkampf 2013 war das noch anders. Diaby kandidierte zum ersten Mal für den Bundestag. Über Rassismus wollte er damals mit Journalisten möglichst nicht sprechen. Ist das Buch ein Zeichen, dass er seine Einstellung geändert hat? Vielleicht, weil das Problem größer geworden ist?

Nein, sagt Diaby und flüchtet sich plötzlich in den Berliner Politiker-Sprech, den er im Buch so wohltuend vermeidet. "Bei solchen Interviews (wie im Wahlkampf 2013, Anmerkung d. Red.) kommt man nicht dazu, die ganzen Zusammenhänge darzustellen. Das Buch hat den Vorteil, dass man das Problem in der Gesamtbetrachtung sehen kann," sagt er im DW-Gespräch.

Trotzdem: Das Buch von Karamba Diaby und seiner Co-Autorin Eva Sudholt ist über weite Strecken eine Geschichte, die Mut macht - und das auch soll. "Den jüngeren Leuten will ich sagen: Das Leben ist nicht gradlinig. Man erlebt immer wieder Enttäuschungen. Aber es liegt an uns. Wir dürfen nicht aufgeben, nicht den Kopf in den Sand stecken. Sondern einfach den Kopf hoch nehmen und die nächste Herausforderung annehmen", sagt Diaby.