Mit Kalkül an die Staatsspitze
15. Oktober 2017Laufen die kommenden Koalitionsgespräche nach Plan, wird Sebastian Kurz der nächste österreichische Bundeskanzler und mit 31 Jahren auch der jüngste. Kurz - zielstrebig, machtbewusst und eloquent - steht vor dem nächsten Karrieresprung.
Kontroverse Slogans
Seinen politischen Werdegang beginnt Kurz bereits als Schüler, als er noch vor dem Abitur der Jugendpartei der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) beitritt. Noch während seines Jura-Studiums, das er nie beendet, wird er deren Vorsitzender. Mit kontroversen Slogans wie "Schwarz macht geil" oder "24 Stunden Verkehr" mischt er mit seiner Jugendpartei den Wiener Landtagswahlkampf auf und stärkt den Konservativen in der sozialdemokratischen Hochburg den Rücken.
Die Volkspartei bedankt sich bei ihm und holt den damals 24-Jährigen ein Jahr später in die Bundesregierung. Kurz wird Staatssekretär für Integration. Obwohl Experten ihm ein eher gemischtes Zeugnis ausstellen, wird Kurz in dem Amt schnell zu einem der beliebtesten Politiker Österreichs.
2013 steigt Sebastian Kurz unter dem sozialdemokratischen Kanzler Werner Faymann, der Österreich ebenfalls ohne Studienabschluss regierte, zum Minister auf. Mit 27 wird er Österreichs jüngster Minister: verantwortlich für Außenpolitik und Integration.
Flüchtlingskrise als Bewährungsprobe
In der Rolle des Außenminister schärft er sein politisches Profil. Während der Flüchtlingskrise treibt Kurz die Schließung der Westbalkanroute voran. In Brüssel tritt er für ein Ende der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ein und schlägt vor, Asylsuchende in Zentren außerhalb der EU zu internieren.
In seiner Funktion als Integrationsminister bringt er die Reform des österreichischen Islamgesetzes auf den Weg und setzt das Vollverschleierungsverbot durch. Gleichzeitig gibt sich Sebastian Kurz trotz seines jungen Alters staatsmännisch: Zum Höhepunkt der Ukraine-Krise empfängt er den russischen Außenminister Sergej Lawrow in Wien, auch das Atomabkommen mit dem Iran wird größtenteils in der österreichischen Hauptstadt ausgehandelt.
Auf dem Weg ins Kanzleramt krempelt Sebastian Kurz die Volkspartei komplett um. Nach dem Rücktritt von Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner steigt Kurz zum ÖVP-Chef auf und kündigt die große Koalition auf. Gleichzeitig verbannt er die alte Parteifarbe schwarz und ersetzt sie durch ein frischeres Türkis. Auch der Parteiname kommt weg. Aus der Volkspartei wird die "Liste Sebastian Kurz". Die Traditionspartei ist jetzt fest in den Händen des 31-Jährigen.
Kanzler nach Parteirevolte
Bei den Österreichern kommt Kurz Strategie gut an. Bereits zum Wahlkampfauftakt in der Wiener Stadthalle feiern ihn 10.000 Anhängern mit tobendem Applaus. Nichts erinnerte an mehr an die alte ÖVP. Selbst die obligatorische Trachtenkapelle trug Türkis.
Im Wahlkampf wirbt Kurz für Veränderung und Neuanfang. Seine Lieblingsthemen sind Migration, Integration und Islam. Themen, die traditionell von Österreichs rechtsextremer Partei FPÖ beherrscht werden. Sie gilt jetzt als Kurz wahrscheinlichster Koalitionspartner.
Sebastian Kurz hält sich bedeckt, wenn es um sein Privatleben geht. Er wuchs als Kind einer Lehrerin und eines Ingenieurs in Wien auf. Seit der Schulzeit ist er mit seiner Lebensgefährtin liiert. Das US-amerikanische Time Magazine setzt ihn 2017 auf die Liste der zehn nächsten Führungspersönlichkeiten.
In einem Werbespot aus seiner Zeit bei der konservativen Jugendpartei beschreibt er sich als "selbstbewussten Platzhirsch". Eigenschaften, die ihm nun als Kanzler nicht ungelegen kommen könnten.