Kampf gegen Lohndumping auf hoher See
7. September 2012Fest vertäut liegt die 'ATP Egypt' im Bremerhavener Containerterminal. Das 300 Meter lange Schiff, das unter der Flagge Liberias fährt, wird entladen. Vor der Gangway stehen Susan Linderkamp und drei Gewerkschafts-Kollegen: "Wir haben das Schiff ausgesucht, weil es von uns schon lange nicht mehr besucht worden ist. Da wollen wir einfach mal gucken, ob die Heuern regelmäßig gezahlt werden und so weiter und so fort."
Susan Linderkamp ist ITF-Inspekteurin. Die Internationale Transportarbeiter-Gewerkschaft ITF kümmert sich schon seit 1896 um vernünftige Arbeitsbedingungen und bessere Löhne für Menschen, die auf Schiffen, in Häfen oder anderen Logistikbranchen arbeiten. Die Heuer ist der Lohn eines Seemaans.
Auf hoher See herrscht rauher Wind – gerade für Seeleute aus Billiglohnländern wie die Philippinen. Außerhalb der nationalen Hoheitsgebiete sind sie meist auf sich allein gestellt. Die ITF sieht sich als deren Interessenvertreter. Wer kümmert sich sonst um sie, rechtfertigt Susan Linderkamp ihre Arbeit. Bremerhaven, ergänzt sie, fahren in der Regel aber Schiffe mit ITF-Verträgen an. "Weil die Reeder wissen, da gibt es die ITF, und im Zweifelfall werden Schiffe, die ohne Tarifvertrag kommen, auch festgehalten.“ Die Verladung oder die Löschung könnte womöglich komplett gestoppt werden, das Schiff müsste im Hafen liegen bleiben. Ein großer Verlust für die Reedereien. Susan Linderkamp: "In Bremerhaven kommt dies vielleicht einmal im Jahr vor."
Besuch an Bord - unangemeldet
Der Reeder der 'ATP Egypt' hat mit der ITF einen Tarifvertrag abgeschlossen - Mindestlohn, bezahlte Überstunden, feste Ruhezeiten sind ebenso Bestandteil wie das Recht der Gewerkschaftsvertreter, jederzeit unangemeldet an Bord zu kommen und sich dort umzuschauen. Begleitet von einer ITF-Inspekteurin aus Odessa in der Ukraine und zwei Hafenarbeitern, die sich für die Aktionswoche freigenommen haben, geht Susan Linderkamp über die schmale Gangway an Bord. Zwei Seeleute weisen den Weg ins Schiffsbüro. Niedrige Decke, an der Längsseite ein Tisch, schwarze Kunststoff-Stühle, gegenüber die Kaffeemaschine. Vor den Fensterluken türmen sich die Container. Der Kapitän eilt herbei. Susan Linderkamp will den ITF-Vertrag einsehen, die Arbeitsverträge der Crew, Auflistung der Überstunden. Der Kapitän nickt bereitwillig und holt die angeforderten Dokumenten. Wenig später kehrt er zurück - in beiden Händen eine Menge Ordner. 26 Seeleute sind an Bord, aber nur 23 im Tarifvertrag angegeben. Gewerkschaftsbeiträge fehlen. Susan Linderkamp wird den Schiffsmakler, er sitzt auf Zypern, auffordern, die Gebühren nachzuzahlen - Wohlfahrtsgebühren, merkt sie an, die die Gewerkschaft weiterreicht an die Seemannsmissionen.
Auch den Proviant im Blick
Nicht nur die Arbeitsbedingungen an Bord hat Gewerkschaftsinspekteurin Susan Linderkamp im Blick; sie interessiert sich ebenso dafür, wie die Seemänner untergebracht sind, wie es um den Proviant bestellt ist. Erst einmal geht es in die Küche. Schnell stellt sich heraus: Hier werden Überstunden nicht bezahlt. Der Kapitän, er ist Russe, setzt ein schales Lächeln auf. Susan Linderkamp ficht es nicht an. "Laut Tarifvertrag dürfen wir jederzeit an Bord kommen, die Unterlagen kontrollieren, mit den Seefahrern sprechen und Fragen stellen." Noch ein kurzer Abstecher in die Kühlräume für Fisch, Fleisch und Gemüse, ein Blick auf die Mindesthaltbarkeitsdaten der Konserven. Mit dem, was Susan Linderkamp sieht, ist sie zufrieden. Den Kapitän freut es. Gemeinsam geht es zurück in das Schiffsbüro. ITF-Inspekteurin Susan Linderkamp wird eine Nachforderung stellen und die Reederei auffordern, das Geld nachzuzahlen. "Mein Bericht wird in unsere weltweite Datenbank eingepflegt und dementsprechend ist schon ziemlich sichergestellt, dass dieses Schiff dann innerhalb der nächsten Monate noch mal eine neue Inspektion kriegt, ob alles so abgearbeitet ist." Sollten die Seeleute Angst haben, dass ihnen auf hoher See das Geld wieder abgenommen wird, hält Susan Linderkamp es zurück und veranlasst eine Überweisung auf das Konto der Seeleute.
Erfolgreiche Woche
Eineinhalb Stunden später. ITF-Inspekteurin Susan Linderkamp verabschiedet sich. Wieder einmal, sagt sie, habe sie Flagge gezeigt, sich für die Seeleute eingesetzt, die häufig genug auf sich allein gestellt sind. Susan Linderkamp und ihre drei Helfer stehen unten an der Kaje. 20 Schiffe haben sie in der Aktionswoche kontrolliert. "Wir haben ausstehende Heuern auf einem Schiff reinholen können, so um die 40.000 Euro. Wir haben auf einem Schiff Überstunden-Bezahlung verlangt in Höhe von 11.000 US-Dollar.“ Auf einem anderen Schiff mussten Lehrlinge 300 Stunden im Monat arbeiten. Auch das wird Susan Linderkamp monieren wie die unerlaubte Praxis eines Reeders, die Gebühren für den Flaggenstaat von der Heuer der Seeleute abzuziehen.