Das Plastik-Kaffeebecher-Problem
22. Mai 2019"In Deutschland hat sich eine Wegwerfmentalität breit gemacht", sagt Umweltministerin Svenja Schulze von der SPD. Man kann ihr kaum widersprechen. Die Sozialdemokratin steht jetzt in ihrem Ministerium vor vielen Kameras und wartet mit beeindruckenden Zahlen des Umweltbundesamts auf, man könnte auch sagen, mit erschreckenden Zahlen: 320.000 Wegwerf-Plastikbecher für Kaffee nutzen die Deutschen - pro Stunde. Und das jeden Tag.
Etwas über die Hälfte dieser Becher sind aus kunststoffbeschichtetem Papier, der Rest besteht komplett aus Kunststoff. Allen diesen Bechern, es sind satte 2,8 Milliarden pro Jahr, ist gemein: Sie sind nicht recycelbar, landen im Müll, in der Verbrennung, oder wie Schulze sagt: "...in den Wiesen, in der Umwelt, am Strand, und zuletzt im Meer!"
"Coffee to go" gibt es erst seit 23 Jahren
Das einzig Positive an den Zahlen: Sie steigen aktuell nicht, sondern sind seit Jahren halbwegs konstant. Auch schon vor fünf Jahren gingen rund 300.000 Kaffeebecher aus Plastik pro Stunde über die Ladentheke. Geht man aber etwas über 20 Jahre zurück, dann wird deutlich, wie sich die Alltagskultur der Menschen verändert hat. So berichtet Bettina Rechenberg vom Umweltbundesamt, die die Studie mitverfasst hat, dass 1996 erstmals in Deutschland ein "Kaffee zum Mitnehmen" verkauft wurde. Und sie fordert: "Öfter mal Coffee to stay statt Coffee to go!"
30 Cent Abgabe pro Kaffee?
Um den vielen Plastikmüll zu verringern, schlägt die Studie vor, eine Abgabe auf Einwegbecher zu erheben, etwa 20 Cent auf den Becher und noch einmal 10 Cent auf den Plastikdeckel. In Coffee-Shops und Bäckereien, in den Supermärkten und an Tankstellen sollten zudem Mehrwegbecher künftig die Regel sein. Die Abgabe könnte außerdem in einen Fonds fließen, der vor allem die Kommunen in die Lage versetzt, die Umwelt zu säubern. Ohne solche Maßnahmen, meint Rechenberg, komme man den Einwegbechern kaum bei: "Einwegbecher sind billig, einfach im Gebrauch und schnell entsorgt." Mehrwegbecher, empfiehlt die Studie, sollten bis zu zehn Mal mindestens gebraucht und ohne Deckel genutzt werden.
EU verbietet bestimmte Plastikprodukte
Welche der Maßnahmen die Umweltministerin jetzt umsetzen will, steht noch nicht ganz fest, aber wichtig ist für Schulze: "Wir werden die Hersteller von Einwegbechern künftig stärker zur Kasse bitten. Die Kosten können stärker auf die zugespitzt werden, die dies verursachen." Die Vorstellung der neuen Studie des Umweltbundesamtes geschah nicht ganz zufällig an dem Tag, an dem die EU in Brüssel eine neue Richtlinie beschlossen hat, wonach bestimmte Einwegprodukte wie Geschirr, Besteck, Trinkhalme oder Wattestäbchen aus Kunststoff ab 2021 verboten sein sollen - und eben auch die vielen Millionen Kaffeebecher aus reinem Kunststoff. Für die Grünen, Oppositions-Fraktion im Deutschen Bundestag, ein längst überfälliger Schritt. So erklärte der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter: "Noch immer ist Deutschland der größte Verpackungsmüll-Produzent Europas. Wir müssen endlich runter von diesen Müllbergen. Die Bundesregierung muss die immense Verschwendung von Energie, Pappe und Kunststoffen für Kaffeebecher beenden."
Ein Problem vor allem für die Kommunen
Für die Kommunen wäre sicher die Fonds-Lösung sehr attraktiv, denn die Einwegbecher bleiben am Ende zumeist ein Problem der städtischen Müllabfuhr. Bis zu 15 Prozent des Volumens der Abfalleimer auf öffentlichen Straßen und Plätzen machen die Kaffeebecher mittlerweile aus, oder umgerechnet: acht Millionen volle typische Mülleimer nur mit Kaffeebechern im Jahr.
Dass sich Plastikmüll durchaus schnell verringern lässt, zeigt das Beispiel von Plastik-Einkaufstüten: Vor drei Jahren verpflichtete sich der Handel, die Menge der Kunststofftüten einzudämmen. Seitdem verlangen die meisten Läden Geld für die Tragetasche. 2017 verbrauchte jeder Bundesbürger statistisch gesehen nur noch 29 Plastiktüten - nach 45 im Jahr zuvor.