Kalifornien verdurstet nicht
26. Mai 2015Eigentlich sind Trockenperioden nicht ungewöhnlich für Kalifornien. So schrieb der Literaturnobelpreisträger John Steinbeck 1952 in seinem Roman "Jenseits von Eden" über das landwirtschaftlich geprägte Salinas-Flusstal, dass sich dort regenreiche und trockene Jahre seit jeher abwechselten:
"Die Kühe magerten ab, und verhungerten manchmal. Menschen mussten Trinkwasser in Fässern zu ihren Farmen schleppen und einige Familien verkauften Hab und Gut und zogen fort. Und es blieb nie aus, dass die Leute in den trockenen Jahren vergaßen, dass es auch wasserreiche Jahre gegeben hatte, und während der feuchten Jahre verloren sie alle Erinnerungen an die trockenen Jahre. Das war schon immer so."
So schlimm sieht es im Salinas-Tal im vierten "Dürrejahr" in Folge im Mai 2015 allerdings keineswegs aus: In den Wintermonaten war fast so viel Regen gefallen wie sonst in der ganzen Regensaison. Die Hügel ringsum sind grüner als in vielen Jahren davor. Überall blüht und gedeiht die Natur. Und nur wenig weiter nördlich sind die kleineren örtlichen Wasserreservoirs von Silicon Valley - Stevens Creek, Guadalupe-River und Almaden - sogar recht gut gefüllt.
Die "Dürre", vor der Kalifornien sich fürchtet, spielt sich an anderen Fronten ab: Einmal in der Bevölkerungsentwicklung: Seit Steinbecks Beobachtungen hat sich die Bevölkerung fast vervierfacht - auf heute über 38 Millionen. Also steigt auch der Wasserbedarf.
Die andere Front liegt in der Ferne: In den Bergen der Sierra Nevada, weit im Osten des Landes. Dort lag in diesem Winter wieder einmal deutlich weniger Schnee als normal. Dadurch sind die großen Wasserreservoirs in den Bergen zu Beginn der Saison nur etwa halb voll. Eigentlich sollten sie nach der Schneeschmelze gut gefüllt sein.
Aber das meiste Wasser, das die Menschen entlang der Westküste verbrauchen, kommt eben aus dem Osten. Und das bedeutet: Wassersparen ist angesagt - nicht nur in den Ballungsräumen im Westen, sondern vor allem in den weiten Agrargebieten des Central Valley.
Notstand als Hebel zum Wassersparen
Gouverneur Jerry Brown hatte schon im Januar einen "Dürre-Notstand" ausgerufen. Dadurch kann die Regierung Wassersparmaßnamen verordnen, wie etwa am 5. Mai, als die Wasserbehörde alle Städte verpflichtete, ihren Trinkwasserverbrauch um ein Viertel zu senken.
Dieser "Notstand" besteht dabei in den meisten Regionen nicht akut, sondern er liegt in der Erwartung begründet, was noch auf Kalifornien zukommen kann, wenn sich die Witterungslage in den kommenden Monaten und Jahren nicht verbessern sollte.
Allerdings gibt es einen Hoffnungsstreifen am Horizont: Sollte nämlich eine El Niño-Periode bevorstehen - wie Meteorologen vermuten - könnte die jetzige Trockenperiode schon bald enden und Kalifornien wieder viel Regen und Schnee bekommen - ganz so, wie Steinbeck es in seinem Roman beschreibt. Nur will sich darauf besser niemand verlassen. Also gilt bis auf weiteres das 25 Prozent-Sparziel.
Das sollte eigentlich gut zu erreichen sein, wenn alle ihren Teil dazu beitragen. Denn es gibt genug Wasser für alle. Am meisten muss die Landwirtschaft einsparen. Sie verbraucht 80 Prozent des Wassers. Nur zwanzig Prozent fließen in die urbanen Räume, wie Silicon Valley, Los Angeles oder Sacramento. Und dort wird auch nur die Hälfte zum Trinken, Kochen, Duschen und Wäsche waschen verwendet. Die andere Hälfte des städtischen Wasserverbrauchs geht in die Bewässerung der Gärten, Parks und Golfplätze.
Kampf um Besitzstände
Und hier wird die Frage des Wassersparens politisch: Jede Interessengruppe kämpft für ihren Anteil. Die Landwirtschaft hat mit einem jährlichen Produktionsvolumen im Wert von 45 Milliarden Dollar scheinbar eine starke Lobby: Kein anderer Staat in den USA produziert mehr Agrarprodukte als Kalifornien.
Aber eben nur scheinbar: Längst wird das hochproduktive, traditionelle, ländliche Kalifornien durch die Halbleiter- und Softwareindustrie von Silicon-Valley überschattet, durch die Unterhaltungsindustrie von Hollywood, durch Medizin-Hightech, Maschinenbau, Luft- und Raumfahrt und viele weitere Industriebereiche.
Und weil die Wähler vor allem in den Städten leben, kann die Politik nicht ignorieren, dass die Farmer trotz ihres hohen Produktionsanteils nur etwas über zwei Prozent zum Sozialprodukt Kaliforniens beitragen. Das liegt nämlich bei 2000 Milliarden Dollar. Nur vier Prozent der Arbeitnehmer des Staates arbeiten noch in der Landwirtschaft.
Zudem gibt einfache technische Gründen, warum Landwirte stärker vom Wassersparen betroffen sind als andere: In einzelnen Gebieten Südkaliforniens, in denen die Wasserreservoirs schon jetzt so leer sind, dass Wasserkürzungen unumgänglich wurden, fiel es den Behörden eben leichter, relativ wenigen Farmen das Wasser abzudrehen, als sich gleich mit einer mittleren Kleinstadt anzulegen.
Behörden als Vorreiter
Die staatlichen Behörden Kaliforniens haben übrigens schon 2014 unter Beweis gestellt, dass Wasser sparen möglich ist. Im Vergleich zu 2013 haben sie ihren Verbrauch um 23 Prozent gesenkt. Mehr als die Hälfte der Einsparungen kamen hier von der Straßenbaubehörde Caltrans. Die nutzt ihr Wasser einerseits zum Beton mischen, andererseits auch zum Bewässern der Pflanzen auf den Mittelstreifen der Autobahnen - ein großes Einsparpotential, wie sich gezeigt hat. Es wurde einfach trockenresistenten heimischen Pflanzen Vorrang vor durstigen Arten gegeben.
Eine einzige Behörde hat in der Verbrauchsbilanz indes besonders schlecht abgeschnitten. Dafür hat sie aber eine gute Entschuldigung parat: Cal Fire, die überregionale Feuerwehr, die für die Bekämpfung von Waldbränden zuständig ist, hatte 2014 immerhin 50 Prozent mehr Wasser verbraucht als noch im Jahr zuvor.