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Schusswaffenhandel in Deutschland

Wolfgang Dick27. November 2015

In Deutschland läuft derzeit ein Ermittlungsverfahren gegen einen mutmaßlichen Waffenhändler, der Waffen verkauft haben soll, wie sie auch von den Attentätern in Paris verwendet wurden. Welche Rolle spielt Deutschland?

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Kalaschnikow Ak-47 Foto: DW archiv
Bild: Fotolia/Haramis Kalfar

Das Bundekriminalamt belegt in seinen Kriminalstatistiken keinen eindeutigen Trend. Seit dem Jahr 2011 schwanken die festgestellten Straftaten gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz - das betrifft auch den Handel mit Sturmgewehren - um die 500 Fälle im Jahr. 2013 wurden vom Zoll insgesamt 37 Kriegswaffen und 2829 Gewehre und Pistolen sichergestellt und beschlagnahmt. Bei Razzien - meist gegen verdächtige Neonazis - stellte die Polizei auch im Jahr 2015 immer wieder schwere Waffen sicher. Darunter viele Maschinengewehre aus früheren Kriegseinsätzen in Europa. Besonders aus Balkanstaaten.

Problem "Dekowaffen"

So genannte "Dekowaffen", alte Kriegswaffen, können in Deutschland sogar legal gehandelt werden, wenn bestimmte Auflagen erfüllt sind. So dürfen sie nicht mehr "schussfähig" sein. Die Erfahrung von Ermittlern der Polizei zeigen aber, dass schon Sturmgewehre des Typs Kalaschnikow gefunden wurden, deren "Deaktivierung" wieder rückgängig gemacht worden war. Der Waffenexperte des Landeskriminalamts Bremen, Joachim Osenberg, weiß, wie leicht das geht. Mit einfachen Bohrern lasse sich zum Beispiel ein MG 53 reaktivieren. Für manche Schnellfeuerwaffen müsse man zwar nähere Kenntnisse im Metallbau haben, aber unmöglich sei eine Reaktivierung nicht. Damit würden gefährliche Kriegswaffen wieder zur Verfügung stehen.

Handfeuerwaffen - sichergestellt von der Polizei - Foto: Martin Oeser/dapd
Sichergestellte Waffen in der Sammlung des Bundeskriminalamtes.Bild: dapd

Dem Journalisten Tom Littlewood gelang es, für das Zweite Deutsche Fernsehen einen illegalen Waffenhändler anonym vor die Kamera zu holen, der erzählte, er bestelle Schreckschusswaffen aus dem Ausland und baue sie dann zu scharfen Waffen um. Man brauche nur die Verschlüsse und Laufsperren der deaktivierten Waffen zu entfernen. Ein solches umgebautes Deko-Gewehr aus der Slowakei wurde bei den Mördern der Redakteure von "Charlie Hebdo" Anfang dieses Jahres gefunden. Es war reaktiviert.

Waffenhandel im Internet

Russland Waffe Kalaschnikow-Modell AK-47 Foto: dpa/lnw +++(c) dpa - Bildfunk+++
Ermittler sagen, selbst Waffen in Einzelteilen würden wieder aktiviertBild: picture-alliance/Bildagentur-online/Belcher

Im "Darknet", einem verschlüsselten Teil des Internets, das über mehrere geheime Server und nur über spezielle Browser zu erreichen ist, werden neben Drogen auch Waffen aller Art, sogar Kriegswaffen, gehandelt. Auch von Deutschen. "Solche Waffen gibt es dann selten komplett, aber in Einzelteilen. Eine AK47, wie in Paris verwendet, erhält man schon zwischen 1500 und 3000 Euro", berichtet Jürgen Grässlin, der für mehrere Bücher über Waffenhandel recherchierte. Waffenhandel sei in Deutschland ein nicht zu unterschätzendes Problem. Gegen die starke Waffenlobby in Deutschland hat er sich schon öfter wehren müssen. Bisher erfolgreich. Sein Anwalt Holger Rothbauer bezeichnet das Kriegswaffenkontrollgesetz in Deutschland zwar als scharf und streng, weiß aber um viele Erfolge bei der Umgehung der Gesetze.

Das Internet komme aber schnell an seine Grenzen, wenn es um größere Stückzahlen an Waffen geht. Wim Zwijnenburg ist Berater für Abrüstung bei der Organisation Pax Christi in den Niederlanden: "Wenn Sie zum Beispiel sechs AK47 benötigen und dann noch die dazugehörige Munition, dann machen Sie das nicht über das Darknet. Es ist viel zu komplex und dauert zu lange". Man müsse dem Verkäufer trauen, und man könne die Waffen, die über das Internet angeboten werden, nicht in Funktion sehen. "Auf dem Schwarzmarkt kann man eine Waffe dann auch in den Händen halten." Insofern seien die aktuellenFestnahmen eines 34-jährigen Waffenhändlers in Baden-Württemberg und eines 25-jährigen Studenten in Bayern Anfang des Jahres nur eine Maßnahme. Der Schwarzmarkt außerhalb des Netzes sei das gefährlichere Problem.

Welches Ausmaß der illegale Handel mit Maschinen- und Sturmgewehren in Deutschland in dem Bereich hat, ist nur schwer exakt zu ermitteln. Aber es gibt zu der Frage ein aufschlussreiches und erschreckendes Experiment.

Eine Kalaschnikow in wenigen Stunden

Europol-Stabschef Brian Donald gab jungen Polizei-Nachwuchskräften die Aufgabe, sich eine Waffe auf der Straße zu besorgen. Ein junger Polizist ohne Training und Erfahrung hätte bereits nach nur zwei Stunden eine Kalaschnikow für 900 Euro aufgetrieben, berichtete Brian Donald fassungslos. Wirklich gewundert hat dies bei Europol dennoch niemanden. Immerhin soll es bis zu 67 Millionen illegale Schusswaffen in Europa geben. Einen Schwerpunkt des illegalen Handels mit Schnellfeuerwaffen in Deutschland sieht man bei Europol nicht. Es scheint eher ein Phänomen der Zulieferer in Osteuropa zu sein.

Brian Donald Europol Foto: Europol
Europol-Stabschef Brian Donald: "Unfassbare Zustände"Bild: Europol

Kontrollmaßnahmen scheinen nur unzureichend zu funktionieren. Vieles läuft an den Sicherheitsbehörden vorbei. Nicolas Florquin, Senior-Forscher des Berichtprojekts "Small Arms Survey" in Genf, sagt anlässlich der jüngsten Ermittlungen gegen einen deutschen mutmaßlichen Waffenhändler: "Es bestätigt sich, dass es Punkte gibt, auf die in der EU stärker geblickt werden muss". Dabei geht es auch um Deutschland. Bei der Staatsanwaltschaft Mainz weiß man zum Beispiel von einem Fall, in dem es Journalisten gelang, ganz offiziell eine deaktivierte Kalaschnikow zu kaufen. Einfach über das Internet. Nach einem Ausweis oder einem Kaufgrund habe der Verkäufer bei der persönlichen Abholung nicht gefragt.