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Künstliche Intelligenz: Deutschland unter Druck

3. Juli 2024

Beim Wettlauf um die Entwicklung praktischer Anwendungen von KI hinkt Deutschland den USA und China hinterher. Ein Handelsdefizit und verhältnismäßig wenig neue Patente geben Anlass zur Sorge.

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Stand des deutschen Industriekonzerns Siemens bei der Hannover Messe 2024 mit Kanzler Scholz und einem Industrieroboter
Bundeskanzler Olaf Scholz, hier während der Hannover Messe 2024, hat mehrfach dazu aufgerufen, die Chancen künstlicher Intelligenz zu nutzenBild: Ronny Hartmann/AFP/Getty Images

Die deutsche Wissenschaft leistet einen wichtigen Beitrag zur weltweiten Erforschung künstlicher Intelligenz. Aber wenn es um die Entwicklung praktischer KI-Anwendungen geht, hinkt Deutschland hinter KI-Giganten wie den USA und China hinterher - und die Lücke wird größer. Das geht aus einer neuen Analyse von Deutschlands staatlicher Förderbank KfW hervor.

"Wie haben bei künstlicher Intelligenz, wie bei vielen anderen Technologiebereichen, eine Schwäche, Forschungsergebnisse in Produkte umzusetzen, die für die Wirtschaft nutzbar sind”, warnt KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib im Gespräch mit der DW. 

Deutsche Unternehmen hinken bei KI hinterher

Deutschland importiert laut KfW mittlerweile deutlich mehr KI-Produkte und Dienstleistungen als es exportiert. Dadurch ist das Land zunehmend auf die Technologie weniger mächtiger Unternehmen im Ausland angewiesen – was seiner Wettbewerbsfähigkeit in einer zunehmend von KI angetriebenen Welt schadet.

"Bei der KI-Umsetzung sind andere Länder einfach schneller”, so Köhler-Geib. "Und wir müssen ein Augenmerk darauf legen, dass Deutschland nicht weiter zurückfällt.”

KI: aus den Laboren in die 'echte Welt'

Arbeit an künstlicher Intelligenz reicht bis in die 1950er-Jahre zurück. Lange Zeit galt diese jedoch vor allem als Grundlagenforschung ohne direkte Anwendungsfelder.

In den beiden vergangenen Jahrzehnten haben technologische Fortschritte sowie die Entwicklung neuer Ansätze künstliche Intelligenz zunehmend aus den Forschungslabors in die "echte Welt” gebracht.

In den vergangenen Jahren sind KI-gestützte Programme wie ChatGPT zu alltäglichen Werkzeugen geworden, mit denen auch Menschen ohne technische Vorkenntnisse in Windeseile Texte, Bilder oder Computercode erstellen können.

Eine Person schaut auf ein Smartphone, auf dessen Display ChatGPT geöffnet ist.
Die Online-Veröffentlichung des Chatbots ChatGPT im Herbst 2022 gilt vielen als der Moment, als alltägliche Interaktionen mit KI zum Massenphänomen wurdenBild: Pond5 Images/IMAGO

Trotz bedeutender Beiträge zur Forschung haben deutsche Firmen bei der Entwicklung praktischer Anwendungen jedoch nur eine untergeordnete Rolle gespielt.

Deutschland bei KI 'weit hinter' China und den USA

Deutlich wird das bei der Zahl neu angemeldeter Patente aus Deutschland, einem wichtigen Gradmesser für Innovation. "Bei den Patentanmeldungen liegt Deutschland weit abgeschlagen hinter China und den USA”, so Volkswirtin Köhler-Geib: "Vor allem die Veränderungsrate, mit der Patente angemeldet worden sind, springt ins Auge.”

Während in China die Zahl der Patentanmeldungen für KI-Technologie seit Anfang der 2000er Jahre um das 100-fache gestiegen ist, haben sie sich in Deutschland im gleichen Zeitraum lediglich verdreifacht. Mittlerweile liegt Deutschland mit einem Anteil von sechs Prozent aller weltweiten KI-Patentanmeldungen weit abgeschlagen hinter China mit 29 Prozent und den USA mit 27 Prozent.

"Wir importieren sehr viel mehr Güter in diesem Bereich, als wir exportieren, während China beispielsweise einen deutlichen Überschuss an Exporten im Bereich KI hat” , so Köhler-Geib. Dieses Handelsdefizit sei "eine ausgesprochene Schwäche" im globalen Wettlauf um KI.

KI-Talente verlassen Deutschland

Alexander Löser, Professor an der Berliner Hochschule für Technik (BHT), teilt ihre Bedenken. Mit Blick auf die KI-Programme, die heute den Markt dominieren und weitgehend auf maschinellem Lernen basieren, sagt er: "Deutschland wird immer mehr Kunde von KI-Dienstleistungen, die größtenteils außerhalb von Europa angeboten werden, vorwiegend in den USA, aber zunehmend auch Saudi-Arabien, Dubai und auch China.”

Dieser Trend werde dadurch verstärkt, dass Deutschland nicht in der Lage sei, einige seiner besten KI-Talente im Land zu halten: "Viele Hochschulen machen hervorragende Forschung und bilden sehr gute Leute aus, aber viele von ihnen gehen dann ins Ausland.”

Portrait von Alexander Löser im schwarzen Hemd in einer Studio-Umgebung
Alexander Löser ist Gründer des Data Science Research Centers an der BHTBild: privat

Gleichzeitig stelle das strenge regulatorische Umfeld in Deutschland und der EU für Unternehmen einen Wettbewerbsnachteil dar, so Löser. So machten es die Auflagen für sie nicht zuletzt schwieriger, Zugang zum Treibstoff der meisten heutigen KI-Systeme zu erhalten: Daten.

"Vorschriften treiben die Kosten für den Erwerb von Trainingsdaten für unser lokales KI-Ökosystem in die Höhe", sagte er. Um diesem Trend entgegenzuwirken, schlägt Löser vor, in Deutschland Open-Source-Datensätze zu erstellen, die Firmen kommerziell nutzen dürfen – "qualitativ hochwertige Daten, die unsere kulturellen Werte widerspiegeln."

Auch die KfW-Bank betont in ihrem Bericht, wie wichtig ein "adäquater Zugang zu Trainingsdaten” sei. Um im globalen KI-Wettstreit aufzuholen, müsse Deutschland außerdem Investitionen in die KI-Forschung und -Entwicklung weiter erhöhen, vor allem in Bereichen, in denen es auf eine lange erfolgreiche Industriegeschichte zurückblicken kann. Und es sei entscheidend, Aus- und Weiterbildungsangebote im Land auszubauen.

Kommentarbild Janosch Delcker
Janosch Delcker Chefkorrespondent für Technologie