Kölner kommt aus türkischer Haft frei
14. Februar 2019Nach rund zehn Monaten in türkischer Untersuchungshaft ist der Kölner Sozialarbeiter Adil Demirci aus dem Gefängnis freigekommen. Das hatte zuvor ein Gericht in Istanbul nach der zweiten Verhandlung im Verfahren wegen Terrorvorwürfen entschieden. Der 33-Jährige darf jedoch die Türkei nicht verlassen. Für die weitere Dauer des Prozesses muss er in der Provinz Istanbul bleiben. Demircis Anwälte hatten vergebens darauf aufmerksam gemacht, dass Demircis Mutter in Deutschland schwer krebskrank ist.
"Im Hinblick auf die Beweislage war die Entscheidung zur Freilassung zu erwarten", sagte Mustafa Peköz, einer von Demircis Anwälten, der DW. Gegen die Ausreisesperre werde man Widerspruch einlegen. Der Prozess soll am 30. April fortgeführt werden.
Vorwurf: Teilnahme an einer Beerdigung
Demirci, der aus Köln stammt und türkische Wurzeln hat, saß seit April vergangenen Jahres in Haft. Noch Ende November hatte ein Gericht in Istanbul entschieden, dass er weiter in Untersuchungshaft bleiben müsse.
Der Sozialarbeiter war auch für die linke Nachrichtenagentur ETHA tätig. Ihm wurde vorgeworfen, er sei Mitglied der verbotenen linksextremen MLKP – weil er an den Beerdigungen dreier türkischer Kommunisten teilgenommen hatte. Demirci wies die Terrorvorwürfe zurück.
Prominente Prozessbeobachter
Aus Deutschland angereiste Prozessbeobachter reagierten mit Erleichterung. Im Saal hatten neben Generalkonsul Michael Reiffenstuel unter anderem der SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich, der Kölner Linkspartei-Politiker Jörg Detjen sowie der Schriftsteller und Journalist Günter Wallraff gesessen. Wallraff sagte, es sei gut, dass Demirci nun auf freiem Fuß sei. Aber das sei ja noch kein Urteil und keine Entwarnung, sondern das Gericht gewinne erst mal Zeit bis zu einer endgültigen Entscheidung. Jörg Detjen nannte das Ergebnis "einen halben Sieg".
Sabine Skubsch, die ebenfalls angereiste Betriebsratsvorsitzende des Internationalen Bundes, für den Demirci bis zu seiner Verhaftung jugendliche Migranten beraten hatte, sagte, dort hätten 14.000 Kollegen mitgefiebert. "Ich bin betrübt, dass er nicht ausreisen kann. Das bedeutet natürlich Familientrennung. Das ist sehr traurig, wenn man weiß, wie schlecht es der Mutter geht."
Berlin warnt
Immer wieder wurden in den vergangenen Monaten Deutsche in der Türkei festgenommen. Mehrere von ihnen konnten das Land inzwischen verlassen. So war im Januar ein 55 Jahre alter Hamburger freigekommen - nach mehr als fünf Monaten in einem türkischen Gefängnis. Der Mann mit kurdischen Wurzeln befindet sich nach Angaben seines Anwalts wieder in Deutschland. Der Prozess gegen ihn geht jedoch weiter. Ihm wird vorgeworfen, auf Facebook Beiträge geteilt zu haben, die die türkischen Ankläger als Terrorpropaganda ansehen.
Mehrere andere Deutsche sitzen noch in türkischer Haft oder werden im Land festgehalten, darunter der Autor, Jurist und frühere Mitarbeiter des türkischen Geheimdienstes MIT, Enver Altayli.
Die Bundesregierung hatte zuletzt ihre Reisehinweise für die Türkei verschärft. Das Auswärtige Amt warnt nun vor regierungskritischen Einträgen in sozialen Medien. Dabei könnten "auch solche Äußerungen, die nach deutschem Rechtsverständnis von der Meinungsfreiheit gedeckt sind", Anlass zu einem Strafverfahren in der Türkei geben. Bereits das Teilen oder "Liken" eines fremden Beitrags mit solchem Inhalt könne genügen, um ins Visier der türkischen Justiz zu geraten.
stu/jj (afp, dpa)