Porträt Jürgen Rüttgers
9. Mai 2010Jürgen Rüttgers ist ein Politiker, wie man ihn gerne sieht: schlank, stets elegant gekleidet, silbergraue Haare und eine dezente Brille. Sein Auftreten ist ruhig und souverän. Ganz der Landesvater, den er so gerne gibt. So erwähnt er nicht selten, wie schön "unser Land Nordrhein-Westfalen" ist und wie wohl er sich dort fühlt. Volksnähe ist ihm wichtig. So erscheint er bei manchen Terminen zwar mit seinen Leibwächtern, die aber so diskret im Hintergrund bleiben, dass man sie kaum bemerkt.
Ein Ministerpräsident zum Anfassen will er sein. Und so hat der leidenschaftliche Christdemokrat natürlich auch eine Schwäche für die Brauchtümer in seinem Bundesland. Er scheut sich nicht vor Auftritten beim Karneval und kann in deftiger Bierzeltlaune einen Stimmungshit schmettern. Dabei singt er dann schön schräg - auch das zeigt Volksnähe.
Der Arbeiterführer
Rüttgers' Repertoire ist groß. Um seinen politischen Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen, setzt er sich auch für eigentlich linke Themen ein. So hörte man von ihm in der Vergangenheit auch Sätze wie: "Das ist für mich das hässliche Gesicht des Turbokapitalismus." Wenn er in dieser Laune ist, dann kommt der Kämpfer zum Vorschein. Rüttgers krempelt verbal die Ärmel hoch. Das muss auch so sein im Land der Kumpel, Bauern und Fabrikarbeiter.
Als im vergangenen Jahr die Opelkrise brodelte und General Motors entschied, Opel doch nicht zu verkaufen, fand der Ministerpräsident deutliche Worte: "Wenn die jetzt weiter mit dem Schicksal der Menschen hier spielen, wenn die vergessen, dass das Menschen sind, die Familien, Hoffnungen und Kinder haben, dann werden wir sehr deutlich machen, dass wir nicht bereit sind, das einfach so hinzunehmen."
Rüttgers will beweisen, dass er hinter den Menschen steht. So zeigt er sich gern mit Schutzhelm vor den Werkstoren der nordrhein-westfälischen Industriestandorte. Und er hat im vergangenen Jahr 2009 nicht nur für seine Opelaner gekämpft. Zuvor hat er sich auch für die Mitarbeiter von BenQ und Nokia ins Zeug gelegt - allerdings mit mäßigem Erfolg. "Das ist eine Riesensauerei, die hier passiert", wetterte er angesichts des drohenden Verlustes von tausenden Arbeitsplätzen. Er zeigte Verständnis für die Mitarbeiter, die "stinksauer sind", versprach Hilfe für die Betroffenen und dass man sich nicht so einfach mit Schließungen von Werken abfinden werde.
Nicht alles lief glatt
Allerdings sind im Wortgefecht um die Verlegung des Nokia-Standortes Bochum nach Rumänien einige Schläge unter die verbale Gürtellinie gegangen. Rüttgers' Äußerungen über die schlechte Arbeitsmoral der Rumänen hat allgemeine Entrüstung ausgelöst. Rüttgers entschuldigte sich: "Ich wollte niemanden beleidigen, wenn das doch geschehen ist, tut mir das leid."
Dennoch war dies ein gefundenes Fressen für Rüttgers' politische Gegner. Und sie bekamen noch mehr. Unter dem wenig schmeichelhaften Motto "Rent a Rüttgers" berichteten die Medien im Februar 2010, die CDU habe gezielt Briefe an Firmen geschickt. In diesen Briefen wurden den Unternehmen gegen eine hohe Summe unter anderem vertrauliche Gespräche mit dem Ministerpräsidenten angeboten. Rüttgers wehrte sich: "Erstens: Ich habe diese Briefe nicht gekannt. Zweitens: Es hat auch keine Einzelgespräche gegeben."
Doch damit nicht genug. Mitten in der Schlussphase des Wahlkampfs drohte ihn eine fünf Jahre alte Sache einzuholen. Im CDU-Wahlkampf von 2005 gab es eine Unregelmäßigkeit, die offenbar erst jetzt herausgekommen ist: Eine angeblich unabhängige Wählergruppe, gegründet von einer Werbeagentur, soll damals von der CDU 40.000 Euro bekommen haben, damit in verschiedenen Medien gezielt Rüttgers-freundliche Anzeigen auftauchten.
Ein grüner CDU-Mann?
Das alles war für das Image des CDU-Ministerpräsidenten nicht von Vorteil. Dennoch hat sich Rüttgers im Wahlkampf wacker geschlagen, ist den Attacken seiner Herausforderin Hannelore Kraft von der SPD ausgewichen und besuchte auf seiner Wahlkampftour auch skurrile Termine, wie im März die Auswilderung eines fast ausgestorbenen Wildtiers in den Wäldern des Hochsauerlands.
Dort zeigte er eine weitere Facette. Als Natur- und Artenschützer ist Rüttgers der Schirmherr des Projektes "Wisente im Rothaargebirge". Das sei eine schöne Geschichte, sagte er. "Weil wir hier auch zeigen können, dass wir in diesem schönen Land Nordrhein-Westfalen beides miteinander verbinden können: die artgerechte Lebensweise der Tiere und unsere schöne Natur."
Autorin: Silke Wünsch
Redaktion: Kay-Alexander Scholz