Jürgen Klopp will das Double
8. April 2019An der Rhetorik hat sich nicht viel verändert. Als "Mentalitätsmonster" bezeichnete Trainer Jürgen Klopp die Spieler seines FC Liverpool nach dem jüngsten Sieg in der Premier League gegen den FC Southampton. Durch zwei späte Tore übernahmen die Reds die Tabellenführung wieder von Manchester City, das allerdings eine Partie weniger absolviert hat. Fünf Spieltage vor Saisonschluss ist die Meisterschaft für Liverpool damit durchaus ein realistischer Traum.
Ein Traum, der zuletzt vor 29 Jahren in Erfüllung gegangen war. Und allein die Aussicht auf den nationalen Titel nach so einer langen Durststrecke macht den 51-jährigen Trainer, der seit Oktober 2015 in England seinen Dienst tut, zum Messias bei denen, die es mit dem FC Liverpool halten. Vereinslegende Jamie Carragher sagt, der Deutsche "würde hier zum absoluten Gott werden", gelänge ihm der Gewinn der Meisterschaft. Es wäre die 19. der Vereinsgeschichte und für die Fans dem Vernehmen nach wichtiger als der Gewinn der Champions League.
Carragher selbst war als Verteidiger dabei, als der Traditionsklub aus der Hafenstadt in Mittelengland zum letzten Mal die Königsklasse gewann. 2005 war das, in Istanbul in einem denkwürdigen Finale gegen den AC Mailand. Denkwürdig deshalb, weil Liverpool aus einem 0:3-Pausenrückstand noch ein 3:3 machte und sich dann im Elfmeterschießen durchsetzte.
Leichtes Los?
Nun möchte Klopp mit dem FC Liverpool am liebsten das Double. Und auch das ist durchaus noch drin. Denn so souverän, wie sich sein Team im Achtelfinale gegen den FC Bayern durchsetzte, braucht es auch international keinen Gegner zu fürchten. Zudem meinte es die Losfee gut mit den Reds: Der FC Porto gilt als vergleichsweise leichte Aufgabe unter den acht verbliebenen europäischen Schwergewichten. Schon vergangene Saison erwiesen sich die Portugiesen im Duell im Achtelfinale nicht als Stolperstein. Auswärts gab es da sogar ein 5:0. Und Torjäger Mo Salah hat gerade erst am Wochenende seine zweimonatige Flaute beendet.
Klopps Hauptaufgabe ist jetzt also, seine Leute auf dem Boden zu halten: "Wir wissen, dass viele Leute sagen, Porto sei das leichteste Los", sagte Klopp der "Welt am Sonntag", und fügte mahnend an: "Das ist Quatsch. Porto hat zwar nicht so einen großen Namen wie City oder Barcelona, ist aber ein richtiges Brett. Wir müssen alles abrufen, um weiterzukommen." Trainerfloskeln. Ein Scheitern ist kaum vorstellbar.
Wäre da nicht die persönliche Königsklassen-Bilanz von Trainer Klopp: 2013 denkbar knapp mit 1:2 gescheitert im Endspiel von Wembley gegen den großen Rivalen FC Bayern, 2018 dasselbe Schicksal beim 1:3 gegen Real Madrid. In beiden Partien waren seine Mannschaften nicht die schlechteren, aber in den entscheidenden Momenten haperte es: Pech, Unvermögen, mentale Probleme. Im vergangenen Jahr die ungeheuren Fehlleistungen "seines" Torhüters Loris Karius, die zu zwei Toren für Real führten, möglicherweise begünstigt durch einen Ellbogencheck gegen den Kopf von Madrids Kapitän Sergio Ramos.
Der ganz große Titel fehlt - noch
Sei es drum. Klopp wartet immer noch auf den großen internationalen Coup. Der, zusammen mit einer Meisterschaft, würde ihn tatsächlich unsterblich machen, in einer Stadt, in der sie ihn schon jetzt, nach dreieinhalb Jahren, lieben. Seine extrovertierte, mitreißende Art kommt an bei den Menschen am Mersey-River, so wie sie schon in Dortmund die Fans erreichte.
Ex-Liverpool-Kapitän Steven Gerrard, heute Trainer bei den Glasgow Rangers, sagte jüngst dem "Guardian", er würde Klopp "lieben". "Er hat dieses Charisma, diese unglaubliche Energie". Ausgestattet dazu nicht nur mit einem guten Auge für die Spieler, sondern auch mit dem Händchen dafür, sie zu verbessern. So wie Super-Stürmer Salah. Auch das erinnert an seine Zeit bei Borussia Dortmund, wo er aus Talenten wie Mario Götze, Ivan Perisic, Mats Hummels oder Shinji Kagawa Topstars formte.
Nun also, am Dienstagabend an der Anfield Road gegen den den FC Porto, der nächste Anlauf auf den Gewinn der Champions League. Fünf Spiele sind es noch bis zu einem möglichen Finale am 1. Juni in Madrid. Fünf Spiele, so wie in der Premier League. Es werden also spannende Wochen im Leben des Jürgen Klopp. Mal wieder. Und wie geht er damit um? Mit Akribie - natürlich, mit Einsatz, mit Willen und mit lockeren Sprüchen. Auch da hat sich nichts verändert gegenüber seinen Tagen in Dortmund: "Sagen Sie mir zwei Teams auf der Welt, die im Moment besser sind!", haute er kürzlich heraus. Man wird zumindest lange nachdenken müssen, um die tatsächlich zu finden.