Jüdisches Museum sperrt iranisches TV aus
13. Februar 2019Kaum hatte sich die Kritik aus Israel an der neuen Ausstellung "Welcome to Jerusalem" im Jüdischen Museum Berlin (JMB) gelegt, klopfte der iranische Staatssender IRIB (Islamic Republic of Iran Broadcasting) an die Tür. Das Berliner Korrespondentenbüro von IRIB wollte über die Schau berichten, die kürzlich Benjamin Netanjahu erzürnte.
Das JMB zeigt Jerusalem als "Wunsch- und Sehnsuchtsort für Juden, Christen und Muslime". Israel ist das viel zu einseitig. Netanjahu warf dem Museum vor, es übernehme den muslimisch-palästinensischen Blickwinkel und wollte sogar, dass die Bundesregierung Fördermittel für das JMB kürzt.
Umso brisanter war die Anfrage der Iraner, die sich für den Berliner Blick auf die Heilige Stadt interessierten. Man wollte die Botschaft der Ausstellung wiedergeben, nämlich - dass in Jerusalem "alle großen monotheistischen Religionen tief verwurzelt sind" – so der Chefkorrespondent von IRIB, Valiallah Shojaee Khanabadi, im Gespräch mit der DW.
Museum im Spagat
Diese Absicht nahm das Museum den Iranern nicht ab. "Die staatliche Rundfunkanstalt IRIB ist in ihrer Berichterstattung durch eine dezidiert antizionistische Grundhaltung sowie anti-israelische und antisemitische Propaganda aufgefallen", begründet das Museum. Man gehe davon aus, dass die Rundfunkanstalt die Ausstellung "für ihre Zwecke instrumentalisieren wird." Mit anderen Worten: IRIB würde "Welcome to Jerusalem" für Fake-News im iranischen Fernsehen nutzen, so die Befürchtung. Das Museum verweist darauf, dass der Sender Holocaust-Leugnern eine Plattform gegeben habe, um "ihre unwahren und in Deutschland strafbaren Behauptungen zu verbreiten".
Tatsächlich gilt IRIB als regimetreu. Das Bundesinnenministerium stuft seine Berichterstattung als "deutlich antisemitisch" ein. Auch im letzten Antisemitismus-Bericht von 2017 ist die Rede von "antisemitischer Hetze" im deutschen Programm des iranischen Staatssenders. In Deutschland ist der Sender seit vielen Jahren aktiv.
Er ist offiziell beim Bundespresseamt akkreditiert und seit 2002 Mitglied im Verein der Auslandspresse in Deutschland (VAP). Zu der Absage des Jüdischen Museums sagt der Chefkorrespondent von IRIB: "Die Entscheidung entspricht nicht dem Geist der Medienarbeit in Deutschland".
Journalistenverbände uneins
Das für das JMB zuständige Staatsministerium für Kultur und Medien (BKM) steht hinter dem Museum. Es handelte sich um eine "Abwägungsentscheidung im konkreten Einzelfall" – so die Stellungnahme gegenüber der DW. Im BKM könne "die getroffene Entscheidung nachvollzogen werden", heißt es. Das Staatsministerium betont, die Akkreditierung des Bundespresseamtes berechtige Medien nicht zwangsläufig zum Zugang zu Einrichtungen wie dem Jüdischen Museum. Die Stellungnahme endet mit einem Satz, der kaum zur Begründung passt: "Eine Diskriminierung von IRIB darf nicht erfolgen".
Doch genau das werfen manche Journalistenverbände dem Museum vor. "Keine öffentliche Einrichtung kann einem ausländischen Medium den Zugang verweigern und es mit seiner Berichterstattung begründen", sagt Hendrik Zörner, Pressesprecher des Deutschen Journalistenverbandes DJV der DW. "Es geht eine Bundeseinrichtung nichts an, wie ein Medium über die Einrichtung berichtet".
Auch der Verein der Auslandspresse in Deutschland kritisiert die Entscheidung des JMB. Die älteste Journalistenorganisation Deutschlands ist per Satzung verpflichtet, alle Mitglieder gleich zu behandeln – egal, ob sie aus demokratischen Ländern kommen oder aus Diktaturen. "Das gilt selbstverständlich auf für die Kollegen von IRIB", sagt der Vorsitzende Pascal Thibaut im DW-Gespräch. Für den VAP sei das Verhalten des Museums mit Pressefreiheit "nicht kompatibel".
Den Fall pauschal als Einschränkung der Pressefreiheit zu verurteilen - für die Nichtregierungsorganisation "Reporter ohne Grenzen" (ROG) greift das dagegen zu kurz. Für ROG fungiert der iranische Staatssender als "Propaganda-Sprachrohr einer Regierung, die dem Staat Israel das Existenzrecht abspricht". Deshalb respektiere ROG die Entscheidung, sagt der Vorsitzende Christian Mihr der DW.
Gleiches Recht für alle?
Grundsätzlich gelten die Meinungsfreiheit und das Prinzip der Gleichbehandlung, sagen Juristen. "Ungleich behandeln darf man nur, wenn man einen sachlichen Grund hat, zum Beispiel, weil die Dreharbeiten die Sicherheit vor Ort gefährden könnten", sagt Tobias Gostomzyk, Medienrechtsexperte am Journalistik-Institut der Technischen Universität Dortmund. Allein die bloße Vermutung, dass die Dreharbeiten einen Schaden verursachen könnten, sei nicht ausreichend, meint er.
Das Jüdische Museum könnte laut eigener Satzung ein Hausverbot erteilen, falls Besucher den Museumsbetrieb stören und andere belästigen. "Hier geht es aber nicht um die Störung des Museumsbetriebs", meint Christian Pestalozza, Staatsrechtsexperte an der Freien Universität Berlin, "sondern um die Überzeugung, man lasse andernfalls den ´Feind´ ins Haus".
Interessant, dass das Museum keine Hintertür sucht, sondern im Fall IRIB klar politisch argumentiert. Bei einer berechtigten Sorge um propagandistischen Missbrauch der Aufnahmen sei es allerdings "nachvollziehbar und rechtlich vertretbar, einem Medium die Dreharbeiten zu versagen", so Pestalozza im Gespräch mit der DW. Es müsse möglich sein, dass das JMB seine eigenen Zwecke schütze.
Und wie reagiert der iranische Sender die Absage des Jüdischen Museums? "Wir akzeptieren das Hausverbot, aber nicht die Begründung", sagt der Leiter des Berliner Korrespondentenbüros. Ansonsten wiederholt er die offizielle iranische Linie im Bezug auf die Lage der Palästinenser. Nach DW-Informationen hat IRIB bisher nicht offiziell gegen die Entscheidung des JMB protestiert.