Eine Synagoge für Potsdam
2. Juli 2024Bis zum Landtag von Brandenburg sind es nur gut hundert Meter. Mitten im historischen Zentrum der Landeshauptstadt eröffnet am Donnerstag (4.7.) das Synagogenzentrum Potsdam seine Pforten. Damit haben alle 16 deutschen Landeshauptstädte eine repräsentative Synagoge.
Ein beeindruckender Bau. Die sandfarbene Ziegelfassade erstreckt sich vier Geschosse hoch. Sieben auffallende Bogenfenster, Teil des eigentlichen Synagogensaals in der ersten und zweiten Etage, muten an wie ein Stück moderner Gotik.
Dabei hat das Bauvorhaben eine bald 20-jährige Vorgeschichte. Anfang 2005 unterzeichnete die Landesregierung einen Staatsvertrag mit der "Jüdischen Gemeinde – Land Brandenburg". Darin sagte das Land zu, die Gemeinde beim Aufbau einer Synagoge zu unterstützen.
Die repräsentative "Alte Synagoge" am heutigen "Platz der Einheit" in Potsdam war 1938 bei den Novemberpogromen geschändet und bei einem Bombenangriff 1945 zerstört worden.
Aber so rasch, wie es sich die SPD-geführte Landesregierung vorgenommen hatte, lief es nicht. Zwar erfolgte 2008 ein Architektur-Wettbewerb, den der Berliner Architekt Jost Haberland mit seinem Büro für sich entschied. Sowohl auf Seiten der Politik wie seitens der beteiligten jüdischen Akteure wurde dann viel diskutiert und geplant, wieder verworfen, gestritten und neu verhandelt.
Konkurrierende religiöse Strömungen
Das Brandenburger Landesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur entschied sich vor knapp zehn Jahren für ein ungewöhnliches und in Deutschland einmaliges Modell. Es wählte sich als Kooperationspartner für den Bau die in Frankfurt/Main ansässige Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) aus.
Die Organisation ist das jüdische Pendant zu den anderen Wohlfahrtsverbänden in Deutschland. Die ZWST ist mit sozialen Projekten und Angeboten für die jüdische Gemeinschaft des Landes in Potsdam sehr aktiv und eine wichtige Stütze der Menschen.
2021 erfolgte die Grundsteinlegung. Bauherr ist der Brandenburgische Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen (BLB). Vor wenigen Wochen übergab der BLB den fertigen Bau an die Zentralwohlfahrtsstelle, die nun Hausherr ist und die Synagoge den Gemeinden zur Nutzung überlässt.
Die Baukosten betrugen nach offiziellen Angaben 16,5 Millionen Euro. Die jetzige Einweihung, betont ZWST-Präsident Abraham Lehrer, markiere "einen Meilenstein für die jüdische Gemeinschaft in Potsdam und Brandenburg.
Das neue Synagogenzentrum ist – insbesondere in dieser für Juden und Jüdinnen so herausfordernden Zeit – ein starkes Zeichen dafür, dass jüdisches Leben sichtbar und fest verankert im Zentrum der Gesellschaft steht."
Der Sozialverband als Vermittler
Nach der letzten Statistik der ZWST waren Ende 2022 im Land Brandenburg 1691 Mitglieder in jüdischen Gemeinden registriert. Zur Gemeinde in Potsdam zählen rund 550 Mitglieder. Schätzungen rechnen mit einigen hundert Jüdinnen und Juden mehr in der Stadt.
Die ZWST soll nun die Vergabe der Räumlichkeiten regeln und sicherstellen, "dass alle Menschen jüdischen Glaubens die Synagoge nutzen können". Als Betreiber des Synagogenzentrums erhält sie vom Land jährlich bis zu 650.000 Euro.
Konkret geht es um die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Stadt Potsdam, der Synagogengemeinde Potsdam, der Gemeinde Adass Israel und der Gemeinde Kehilat Israel. Das sind die parallel nebeneinander (oder auch gegeneinander) bestehenden jüdischen Gemeinden der Stadt.
Denn in der Landeshauptstadt gab und gibt es mehrere konkurrierende Gruppen, die zum Teil für unterschiedliche Strömungen des Judentums stehen und eingebunden sein wollten. Seit langem feiern sie jeweils in verschiedenen provisorischen Räumen.
Einige Tage vor der Eröffnung steht Ud Joffe in einem Saal zehn Gehminuten vom Neubau entfernt. Der Raum in der ersten Etage eines Altbaus ist die bisherige Synagoge der "Synagogengemeinde Potsdam", die Joffe leitet.
Nichts weist außen am Gebäude auf die Synagoge hin. Doch der Raum hat alles, was ein jüdisches Bethaus braucht. Einen Thora-Schrein in einem alten Schrank, ein Vorlesepult für die Thorarollen, Stühle in einem Männer- und einem Frauenbereich.
Der gebürtige Israeli Joffe, 56, ein in Berlin und Potsdam sehr engagierter und durchaus bekannter Dirigent, lebt und arbeitet seit Jahrzehnten in Potsdam. Wie schaut er auf die Eröffnung?
"Mit einem lachenden und einem weinenden Auge", sagt er der Deutschen Welle. Der Bau habe natürlich symbolische Bedeutung für Potsdam und das Land Brandenburg. Aber deswegen sei zu lange zu sehr "auf politische Interessen" geschaut worden. Dennoch sei es für die Juden als Religionsgemeinschaft jetzt gut, dieses Haus zu haben.
"Vielleicht werden wir erst in ein paar Jahren sehen, wie wichtig es war, dass nicht nur Potsdam eine Synagoge bekommt, sondern dass wir, die jüdischen Religionsgemeinden der Stadt, eine Synagoge bekommen. Denn sie ist ein Instrument, das uns Mitgliedern darin hilft, "auch unsere Identität zu definieren".
"Potsdamer Juden zueinander bringen"
Mittlerweile ist Joffe optimistisch. Der Bau könne zu einem Magneten werden, sagt er. Dann gelinge es, bewusst jüdisch lebende Familien aus Berlin nach Potsdam zu ziehen.
"Wir sind in Potsdam nicht so stark", sagt er. Und vielleicht gelinge es ja, "die Potsdamer Juden zueinander zu bringen, die unterschiedlichen Kulturen und sprachlichen Schwerpunkte zu vereinen". Da könnte der Neustart "doch ein Impuls sein".
Überschattet wird der Festtag in Potsdam vom massiven Anstieg des Antisemitismus in Deutschland und der Lage in Nahost zwischen dem Terror der islamistischen Hamas und dem Gaza-Krieg. Dass eine solche Eröffnung ein besonderer Anlass ist, macht die Gästeliste deutlich.
Festredner ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier . Erwartet werden neben dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, und mehreren Rabbinern unter anderen auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock.
Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) mit mehreren seiner Minister wird bei der Eröffnung vertreten sein. Eine ungewöhnliche Präsenz von Spitzenpolitikern. Von den 199 Plätzen im Synagogenraum bleibt knapp ein Drittel für die Mitglieder der jüdischen Community der Stadt.