1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Kongress warnt vor Juden-Hass

21. November 2018

Die Warnung ist deutlich: Es sei nicht fünf vor zwölf, sondern fünf nach zwölf. Auf einem Kongress in Wien haben Experten über den wachsenden Antisemitismus in Europa gesprochen. Vor allem im Netz tobt der Hass.

https://p.dw.com/p/38g07
Woche der Brüderlichkeit in Frankfurt
Bild: picture alliance/dpa/B. Roessler

Die Juden in Europa fühlen sich nach Darstellung ihrer Dachorganisation durch den wachsenden Antisemitismus dramatisch bedroht. Die jüdischen Gemeinden machten sich "zunehmend Sorgen um ihre Sicherheit" und blickten pessimistisch in die Zukunft, sagte der Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses (EJC), Moshe Kantor, bei einer Konferenz zur Bekämpfung von Antisemitismus in Wien.

Lage für 1,5 Millionen Juden in Europa wird schlimmer

Das Treffen geht auf eine Initiative von Österreichs Kanzler Sebastian Kurz in seiner Funktion als EU-Ratsvorsitzender zurück. Wissenschaftler stellten dabei ein 150-seitiges Handbuch vor, in dem Maßnahmen gegen Antisemitismus vorgeschlagen werden. Mit drastischen Worten wurde vor zunehmendem Juden-Hass gewarnt. Es sei nicht fünf vor zwölf, sondern fünf nach zwölf, sagte EJC-Vizepräsident Ariel Muzicant. "Wir stehen an einem Scheideweg." Die Situation für die rund 1,5 Millionen europäischen Juden werde schlimmer und schlimmer. Auch in Deutschland nähmen die Vorfälle zu.

Österreich Wien Konferenz | Europa jenseits von Antisemitismus und Antizionismus
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz auf der Konferenz mit Moshe Kantor und Manfred Weber (v.l.)Bild: picture-alliance/dpa/picturedesk.com/H. Punz

In Europa zählen laut Experten vor allem Frankreich, Spanien und Schweden zu den Brennpunkten. Ein Teil des Problems sei die Zuwanderung von Muslimen mit ihrer anti-israelischen Einstellung, hieß es. Allerdings dürfe man nicht alle über einen Kamm scheren und unter Generalverdacht stellen, warnte Österreichs Bildungsminister Heinz Faßmann. Nach früheren Angaben des Jüdischen Weltkongresses hat in Deutschland die Zahl der antisemitischen Vorfälle im ersten Halbjahr 2018 im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres um zehn Prozent auf 400 zugenommen.

Probleme mit gemeinsamer EU-Haltung

Österreichs Bundeskanzler Kurz will die anderen EU-Länder mit einer gemeinsamen Erklärung zu einer einheitlichen Definition des Antisemitismus zu bringen. Das solle noch während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft bis Ende des Jahres gelingen. Laut EJC-Vizepräsident Muzicant verweigern bislang aber fünf oder sechs EU-Staaten die Unterzeichnung einer solchen Erklärung. Diese würden sich aus "irgendwelchen dummen Gründen" dagegen wehren. Offen blieb, um welche Staaten es sich handelt.

Ruf nach Kontrolle im Netz

Der Spitzenkandidat der Konservativen für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten, Manfred Weber (CSU), forderte auf der Konferenz eine stärkere Kontrolle von Kommentaren in den sozialen Medien. "Was in der gedruckten Welt nicht erlaubt ist, sollte auch in den sozialen Medien nicht erlaubt sein", meinte Weber.

Speziell durch die tausendfachen Kommentare in den sozialen Medien erfahre der Antisemitismus einen gefährlichen Normalisierungseffekt, bestätigte die Wissenschaftlerin Monika Schwarz-Friesel von der TU Berlin der Deutschen Presse-Agentur. "Diese Kommentare werden einfach akzeptiert, es gibt keinen Widerstand." Der Gewalt der Worte folge ganz leicht die Gewalt der Taten, wie der jüngste Anschlag auf eine Synagoge in Pittsburgh im US-Bundesstaat Pennsylvania zeige.

wo/qu (dpa, ape, ORF.at)