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Junge Polen wagen das Abenteuer Ausbildung

Jan Schilling1. Mai 2012

22 Jugendliche aus Polen sollten in Cottbus eine Ausbildung beginnen und so etwas gegen den deutschen Fachkräftemangel tun. Die meisten scheiterten.

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Bahnhofsschild Cottbus (Foto: Schilling/DW)
Bild: DW

"In Deutschland habe ich viele Vorteile", sagt Rafał Dawidowicz und schnappt sich einen Schraubenzieher. Dann verschwindet er unter einem VW-Bus, der auf einer Hebebühne steht. Gekonnt lockert der 21-jährige Pole den Keilriemen. Für Rafał kein Problem, in Polen hat er schon eine Ausbildung als Mechaniker abgeschlossen. Trotzdem ist er vor einem Jahr nach Cottbus gekommen, um Kfz-Mechatroniker zu lernen. Mit ihm kamen 21 weitere Jugendliche aus Polen. Möglich machte das die Arbeitnehmerfreizügigkeit, seit dem 1. Mai 2011 können junge Osteuropäer eine Ausbildung in Deutschland beginnen.

Dafür müssen die Jugendlichen aber die deutsche Sprache beherrschen, schließlich ist der Unterricht in den Berufsschulen auf Deutsch. Also bot die Handwerkskammer in Cottbus den Jugendlichen einen Sprachkurs an. Vier Monate paukten sie deutsche Verben, deklinierten Substantive und lernten deutsche Artikel. Acht Stunden am Tag, fünf Tage die Woche, unterbrochen nur von wenigen Ausflügen, um die deutsche Kultur kennen zu lernen. "Das war nicht immer einfach für die Jugendlichen", sagt Martina Schaar von der Handwerkskammer Cottbus, und spricht weiter von falschen Erwartungen: "Wir dachten, dass die Jugendlichen schneller lernen."

Der Auszubildene Rafal schraubt an einem Auto (Foto: Schilling/DW)
Rafał DawidowiczBild: DW

Am Ende nahmen nur noch elf junge Polen an dem Sprachkurs teil. Einige brachen den Kurs ab, aus persönlichen Gründen sagt die Kammer. Andere mussten gehen, sie fehlten zu oft, brachten nicht die entsprechenden Leistungen. Einer der Jugendlichen trank zu viel Alkohol. "Manche waren das erste Mal in einem fremden Land", sagt Martina Schaar, "die sahen das Projekt als Ferienlager an". Nur sechs Jugendliche sind nun, ein Jahr später, noch übrig.

Chance für die Jugendlichen

Neben Rafał hat auch Paweł Verben gepaukt und gebüffelt. Seit acht Monaten hat er nun einen Ausbildungsplatz als Baufacharbeiter. Zusammen mit seinen deutschen Kollegen baut er gerade ein Dachgeschoss aus, erledigt kleine Aufgaben, bringt den Schutt zum Container. "Hier kann ich besser verdienen als in Polen", sagt der 25-Jährige und fügt hinzu, "es gibt hier mehr Arbeit als in Polen".

Paweł Verben (Foto: Schilling/DW)
Auch Paweł hat sein Glück gefundenBild: DW

Die Zahlen bestätigen das: in Rafals und Pawels Heimat ist die Jugendarbeitslosigkeit hoch, gut ein Drittel der jungen Polen haben keinen Job. In Deutschland dagegen sind es weniger als zehn Prozent. "Die Ausbildung ist die Chance meines Lebens", sagt Paweł, schnappt sich seine Brotzeit und setzt sich zu seinen Kollegen: zur Mittagspause.

Deutsche Tugenden und andere Anfangsschwierigkeiten

"Paweł wurde gut aufgenommen und ins Team integriert", sagt sein Chef Rüdiger Galle. Vor zwei Wochen ist er mit ein paar Kollegen sogar ins polnische Zielona Góra gefahren. In seinem Heimatort haben er und seine Kollegen die polnische Küche probiert, seine Mutter hat gekocht. Der Kulturaustausch ist Paweł wichtig. Und in Deutschland fühlt er sich inzwischen immer wohler.

Ausbildungsbegleiter Sebastian Szajek (Foto: Schilling/DW)
Ausbildungsbegleiter Sebastian SzajekBild: DW

"Die Integration ist besonders wichtig", sagt Sebastian Szajek. Der Pole betreut die Jugendlichen seit Mai 2011 und hilft, wo er kann. Seine Erfahrung: "Viele der Jugendlichen sind auch gescheitert, weil sie kein soziales Umfeld gefunden haben." Und weil die kulturellen Unterschiede am Ende doch zu groß waren. "Für Polen sind 15 Minuten nach der Zeit noch pünktlich", sagt Szajek. In Deutschland heiße aber 8 Uhr Arbeitsbeginn Punkt 8 Uhr.

"Paweł und ich mussten uns erst aufeinander einstellen", sagt Bauunternehmer Rüdiger Galle, der den Berufsanfänger beschäftigt. Die Gewöhnung sei nicht immer einfach gewesen: "Mal hatte Paweł sein Werkzeug vergessen, nach Feiertagen wurde er plötzlich krank, mal kam er zu spät." Aber jetzt habe er sich gut angepasst und es gebe keine großen Probleme mehr.

Kaum mehr geeignete Bewerber

Galle ist genügsam geworden. Er und die anderen Cottbusser Handwerker plagen ganz andere Sorgen. Die Lehrstellensituation in der Region hat sich um 180 Grad gedreht. Früher gab es keine Lehrstellen, aber Bewerber. Heute ist es umgekehrt. Rund 700 Lehrstellen in der Region sind zurzeit unbesetzt. Bewerber fehlen vor allem, weil nach der Wiedervereinigung weniger Kinder geboren wurden. Weniger Kinder, weniger Bewerber - so die einfache Rechnung. Doch die Handwerker beklagen auch schlecht ausgebildete Schüler.

Rüdiger Galle und Paweł Verben (Foto: Schilling/DW)
Chef Galle und Azubi PawelBild: DW

Als Schulrat ist Bruno Reinert mit für die Bildungssituation in Cottbus verantwortlich. Er nimmt seine Schüler in Schutz: "Schon Sokrates beklagte den Niedergang der Jugend." Der Beamte fordert von den Betrieben mehr Investitionen in die Jugend. Dass die jungen Polen das Auszubildendenproblem lösen, glaubt er nicht. "Rein zahlenmäßig schon nicht!"

Wettbewerbsvorteil – Zweisprachigkeit

Die Handwerkskammer hält dennoch an der Initiative fest – und arbeitet daran, dass es in künftigen Jahrgängen weniger Abgänge zu verzeichnen gibt: "Wir wollen die Auszubildenden dann bei Gastfamilien unterbringen", sagt Betreuer Szajek. Integration von Anfang an. Außerdem wird der Sprachkurs in Polen stattfinden, und die Eltern müssen einen Anteil daran bezahlen.

Der Auszubildene Rafal (Foto: Schilling/DW)
Rafal: Wettbewerbsvorteil durch ZweisprachigkeitBild: DW

Trotzdem werden die Jugendliche dann auch in Deutschland noch viel lernen müssen. So wie Rafał. Der nimmt inzwischen zusätzlich Unterricht in Deutsch. Denn er weiß, dass genau das sein Vorteil sein wird: "Wir leben in einer Grenzregion, da muss ich doch beide Sprachen sprechen."