Junge Iraner lehnen Hochzeit auf Arabisch ab
29. August 2019Eine persische Hochzeit auf Arabisch? Viele junge Menschen im Iran erleben den Tag ihrer Eheschließung mit Befremden. "Der Prediger hatte minutenlang auf Arabisch geredet", erinnert sich Mandana aus Teheran (Name redaktionell geändert) an die Hochzeit ihrer Schwester. "Zum Schluss wurde sie auf Persisch gefragt, ob sie nun bereit sei, die Ehe zu schließen."
Im islamischen Gottesstaat müssen alle Muslime ihre Hochzeit entsprechend der Religion feiern, das heißt, die bei der Zeremonie verwendeten Texte sind arabisch. Im Ursprungsland der persischen Hochkultur mit einer außergewöhnlich jungen Bevölkerung (Durchschnittsalter etwa 30 Jahre) stößt diese Regelung zunehmend auf Ablehnung.
Immer mehr junge Paare entscheiden sich deswegen für Heiratsbüros, die sich auf die altpersische Hochzeit spezialisiert haben. Der Unterschied: Ehegelöbnisse und Glückwünsche werden auf Persisch vorgetragen. Dementsprechend entfällt auch das Vorlesen der heiligen Schrift, des Korans.
"Ich will verstehen, was gesagt wird"
"Wir spüren eine starke Ablehnung der arabischen Sprache und Kultur in der Gesellschaft", sagt Sedigheh Vasmaghi, Rechtswissenschaftlerin und Autorin aus Teheran. Als eine der weniger Frauen im Iran hatte sie islamisches Recht unterrichtet.
Die altpersische Eheschließung liegt tatsächlich voll im Trend. In sozialen Netzwerken zeigen viele junge Iraner Fotos, die sich für diese Art der Eheschließung entscheiden.
Auch die 30-jährige Mandana hatte gemäß alter persischer Tradition geheiratet. "Ich wollte einfach nur verstehen, was auf meiner Hochzeit gesagt wird", sagt sie zur Begründung.
"Es war viel schöner als die übliche öde religiöse Zeremonie", schwärmt Mandana von ihrer Hochzeit vor zwei Jahren. "Es war wie eine kirchliche Trauung in den westlichen Filmen: Während mein Mann und ich uns an den Händen hielten, las der Prediger einen schönen Text mit vielen guten Wünschen auf Persisch vor. Das Heiratsbüro hatte das alles wunderbar inszeniert, mit viel Blumenschmuck im Hintergrund."
Allerdings stammte der vorgelesene Text nicht aus dem persischen Altertum. Der Autor war der zeitgenössische Dichter Fereydoon Moshiri, der im Jahr 2000 starb.
Islamisierung stößt an Grenzen
Die Renaissance der altpersischen Traditionen beunruhigt die Sittenwächter im Iran und ruft den Staat auf den Plan. Mitte August stellte das staatliche Standesamt klar: "Die nicht-religiöse Eheschließung ist illegal." Hochzeiten, auf denen die Heilige Schrift nicht auf Arabisch vorgelesen wird, sind verboten.
"Wer hätte damals gedacht, dass 40 Jahre nach der islamischen Revolution die altpersische Hochzeit so beliebt wird, dass die Behörden sich gezwungen sehen, sie zu verbieten?", spottet der Politologe Sadegh Zibakalam auf Twitter.
Seit der islamischen Revolution von 1979 im Iran versuchen die Machthaber, islamische Sitten und Gebräuche in der Gesellschaft zu etablieren. Dafür werben sie in allen staatlichen Medien und Einrichtungen, von Kindergärten bis zu Universitäten.
Zugeständnis an die Behörden
"Wir haben eine Identitätskrise", sagt Islamwissenschaftlerin Vasmaghi im DW-Interview. "Besonders in den vergangenen 40 Jahren wurde die iranische Identität der Menschen vernachlässigt oder sogar unterdrückt. Die Menschen in einer Gesellschaft brauchen eine gemeinsame Identität, auf die sie stolz sein können."
Damit ihre Ehe offiziell anerkannt wird, müssen sich die renitenten Brautpaare allerdings doch den Regeln beugen und zweimal heiraten. So auch Mandana: Nach der altpersischen Hochzeit musste sie auf der religiösen Feier im Familienkreis die Lesung der einschlägigen Suren des Korans über sich ergehen lassen.