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"Jumbo-Rat" in Brüssel

Bernd Riegert, Brüssel14. Mai 2007

Einmal im Halbjahr steht in Brüssel der "Jumbo-Rat" auf dem Programm. So nennen EU-Diplomaten gerne den zweitägigen Ministerrat, zu dem alle Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungshilfeminister aus EU-Ländern anreisen.

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Frank-Walter Steinmeier, Quelle: AP
Viel zu tun für den Ratsvorsitzenden Frank-Walter SteinmeierBild: AP

Am Montag (14.5.07) und Dienstag (15.5.07) ist der "Jumbo-Rat" noch ein bisschen größer als sonst, denn der Ratsvorsitzende, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, hat zusätzlich noch Außenminister aus arabischen Staaten eingeladen. Zudem ist erstmals auch der Außenminister der palästinensischen Verwaltungsbehörde, Siad Abu Amr, zu Gast. Er gehört nicht der radikalen Hamas an, die auf der Liste der Terror-Gruppen der EU steht. Die EU möchte einen ständigen Kontakt zur neuen Regierung der nationalen Einheit in den palästinensischen Gebieten aufbauen, ohne den Boykott der Hamas zu unterlaufen. Erst wenn Israel von der Regierung offiziell anerkannt wird und die bisher ausgehandelten Abkommen respektiert werden, sind echte Beziehungen zur palästinensischen Autonomie-Behörde wieder möglich.

Dauerproblem Naher Osten

Israels Außenministerin Zipi Liwni, Quelle: AP
Israels Außenministerin Zipi LiwniBild: AP

An dieser Haltung wird sich auch nichts ändern, sagen EU-Diplomaten voraus. Eine Wiederaufnahme der direkten Hilfszahlungen steht zurzeit nicht zur Debatte. Mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga und den arabischen Außenministern wollen die 27 EU-Minister die saudi-arabische Friedensinitiative für den Nahen Osten besprechen, die auf eine Zwei-Staaten-Lösung mit dem Existenz-Recht für Israel und einen unabhängigen Palästinenserstaat hinausläuft.

Umstritten ist das Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge, das Israel ablehnt. Im Juni soll dann die israelische Außenministerin Zipi Livni in Luxemburg mit den EU-Außenministern über die Friedensinitiative verhandeln.

Konflikt mit AKP-Staaten

Die Verhandlungen der Europäischen Union mit den Entwicklungsländern in Afrika, in der Karibik und im Pazifik (AKP-Staaten) über neue wirtschaftliche Partnerschafts-Abkommen sind ins Stocken geraten. Gestritten wird seit Monaten über den Markt-Zugang für landwirtschaftliche Produkte aus dem AKP-Staaten in Europa. Auf der anderen Seite gibt es über den Markt-Zugang von EU-Industrie-Gütern in den Entwicklungsländern noch keine Einigung. Die neuen Abkommen sollen die alten Regelungen aus dem Jahr 2000 von Cotonou ersetzen, mit denen die EU den AKP-Staaten niedrige Zölle und Beihilfen gewährt haben. Diese so genannten Meistbegünstigungs-Klauseln müssen nach den Regeln der Welt-Handels-Organisation WTO Ende des Jahres auslaufen. Deshalb drängt aus Sicht der EU-Entwicklungshilfeminister, die sich am Dienstag treffen werden, die Zeit.

Einheitliche Regeln für Zucker, Bananen und Reis

Bananen, Quelle: AP
Bananen sind Teil eines HandelsstreitsBild: dpa

Die deutsche Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Heidemarie Wieczorek-Zeul, muss als Ratsvorsitzende versuchen, eine einheitliche Verhandlungslinie für die EU zu finden. Die Europäer sind in zwei Lager gespalten. Die nördlichen Staaten und Großbritannien sind für einen sehr großzügigen Markt-Zugang der AKP-Staaten bei Zucker, Bananen und Reis. Die südlichen Staaten und Frankreich treten für größere Beschränkungen ein. Eigentlich sollen beim gemeinsamen Minister-Treffen der Europäischen Union mit den AKP-Staaten am 25. Mai Nägel mit Köpfen gemacht werden. Ob ein Abschluss bei diesem Treffen in Brüssel bereits besiegelt werden kann, erscheint jedoch fraglich.

Außerdem soll über eine Erhöhung der Handels-Beihilfen beraten werden, die von 2010 an rund zwei Milliarden Euro jährlich betragen sollen. Falls bis zum 31.12.2007 die neuen Handels-Abkommen nicht unter Dach und Fach gebracht werden können, würden automatisch für die meisten AKP-Staaten die ungünstigeren allgemeinen Handelsregeln der Welt-Handels-Organisation WTO gelten. Für die 39 ärmsten Entwicklungsländer unter den 79 AKP-Staaten könnte die EU allerdings weiterhin die bisherigen Meistbegünstigungs-Klauseln anwenden.

Mehr Geld für Entwicklungsländer

Die Entwicklungshilfeminister wollen am Dienstag offiziell feststellen, dass sie die international vereinbarten Ziele für die Höhe der Entwicklungszahlungen für das zurückliegende Jahr sogar überschritten haben. Statt der mindestens vorgesehenen 0,39 Prozent des Brutto-National-Einkommens (BNE) erreichten die damals 25 Mitgliedsstaaten 2006 0,42 Prozent oder 48 Milliarden Euro. Damit seien die Verpflichtungen aus dem Jahr 2002 in mexikanischen Monterrey erfüllt, heißt es von der EU.

Diese Rechung wird von nichtstaatlichen Hilfsorganisationen allerdings bestritten. Im Jahr 2010 will die EU 0,56 Prozent des BNE aufwenden. Im Jahr 2015 soll die Zielmarke 0,7 Prozent erreicht werden. Drei EU-Mitgliedsstaaten bleiben hinter den selbst gesteckten Verpflichtungen zurück. Das müsse sehr genau beobachtet werden, sagen EU-Diplomaten in Brüssel.

Aktuelle Spannungen mit Russland

Trotz der jüngsten Spannungen zwischen dem EU-Mitgliedsstaat Estland und Russland werden sich alle 27 Mitgliedsstaaten, also auch die baltischen Staaten und Polen, dafür aussprechen, das geplante Gipfel-Treffen mit Russland Ende kommender Woche im russischen Samara nicht abzusagen. Eine Eskalation soll vermieden werden. Die förmlichen Verhandlungen über ein neues strategisches Partnerschafts-Abkommen können wieder nicht aufgenommen werden, weil Russland nach wie vor Fleischwaren aus Polen nicht ins Land lässt. Polen blockiert deshalb die Erteilung eines Verhandlungsmandates.

Alle Bemühungen, Russland zum Einlenken zu bewegen, sind bislang gescheitert. Angeblich werden in Polen Hygiene-Standards nicht eingehalten, was die EU vehement bestreitet. Russland möchte auf jeden Fall den Denkmal-Streit mit Estland auf die Tagesordnung des Gipfels setzen.

Treffen in Moskau

Zusätzlich wird Steinmeier am Dienstag einer Einladung von Russland Außenminister Sergej Lawrow folgen und zu einem Krisengespräch nach Moskau reisen, um über die Probleme in den Beziehungen zwischen Russland und der EU unmittelbar vor deren Gipfel in Samara sprechen.

Streit gibt es auch wieder um die Überflugrechte für europäische Luftfahrt-Unternehmen über Sibirien. Russland schiebt technische Schwierigkeiten vor. Die EU droht damit Russlands Aufnahme in die Welt-Handels-Organisation WTO zu verzögern, sollte der Vertrag über die Überflugrechte von Russland nicht endlich unterschrieben werden.

Russland fordert Visa-Erleichterungen für seine Staatsbürger bei der Einreise in die EU. Die EU wiederum beklagt, das Russland Energie-Lieferungen in die baltischen Staaten verzögert. Insgesamt, so schätzen EU-Diplomaten in Brüssel die Lage ein, sei die Stimmung sehr aufgeheizt. Beide Seiten sollten jetzt versuchen, Deeskalation zu betreiben. Beide Seiten hätten ein großes Interesse an einer wirklichen strategischen Partnerschaft.

Treffen mit Afrikanischer Union

Die EU-Troika, also Außenminister Steinmeier als Vorsitzender des Rates , der Außenbeauftragte der EU Javier Solana und der zuständige EU-Kommissar Olli Rehn, wird sich mit der Spitze der Afrikanischen Union treffen, um über die generellen Leitlinien der Afrika-Politik der EU zu beraten.

Auch das Thema Sudan steht auf der Tagesordnung. Die EU unterstützt in der west-sudanesischen Provinz Darfur eine Beobachter- und Friedensmission der Afrikanischen Union. Bislang konnten die Vertreibungen der Bevölkerung durch regierungsnahe Milizen aber nicht gestoppt werden. Die Aussicht, dass sich daran etwas ändert, ist gering. "Leider", so drücken dies EU-Diplomaten aus, "sind uns die Hände gebunden". Weder hätten die Vereinten Nationen durchgreifende Resolutionen beschlossen noch zeige sich die sudanesische Regierung in Khartum sonderlich kooperationsbereit.