Julian Nagelsmann ist neuer Fußball-Bundestrainer
22. September 2023Vom Musterschüler auf den deutschen Trainerthron: Julian Nagelsmann ist neuer Fußball-Bundestrainer und will die deutsche Nationalmannschaft bei der anstehenden Heim-Europameisterschaft (14. Juni bis 14. Juli) zum Erfolg führen. Wie erwartet haben die zuständigen Gremien des Deutschen Fußball-Bunds der Verpflichtung Nagelsmanns als Nachfolger des entlassenen Bundestrainers Hansi Flick zugestimmt. Der 36 Jahre alte Trainer erhält einen Vertrag bis zum 31. Juli 2024. Das gab der DFB nach einer Sitzung von Aufsichtsrat und Gesellschafterausschuss in Frankfurt am Main bekannt.
Nagelsmann war der Wunschkandidat von DFB-Sportdirektor Rudi Völler, der beim Freundschaftsspiel gegen Frankreich in Dortmund selbst als Interimscoach eingesprungen war. Völler bezeichnete es als "Glücksfall", dass es gelungen sei, Nagelsmann zu verpflichten. DFB-Präsident Bernd Neuendorf sprach von einer "starken und sehr überzeugenden Lösung an der Spitze der Nationalmannschaft" und strich die hohe Motivation des neuen Bundestrainers heraus. Nagelsmann sei der erste Ansprechpartner für die Flick-Nachfolge gewesen.
"Wir haben eine Europameisterschaft im eigenen Land. Das ist etwas Besonderes - etwas, das alle paar Jahrzehnte mal vorkommt. Dieser Tatsache, ein großartiges Turnier in einem großartigen Land zu haben, ordne ich alles unter", sagte Nagelsmann. "Ich habe große Lust, diese Herausforderung anzunehmen. Der Auftritt in Dortmund war der Anfang. Wir werden im kommenden Jahr ein eingeschworener Haufen sein."
Nagelsmann gilt in Deutschland als Inbegriff des jungen und modernen Fußballtrainers. Vor seinem möglichen Engagement beim DFB war er in der Bundesliga für TSG Hoffenheim, RB Leipzig und den FC Bayern München tätig.
Jüngster Cheftrainer der Bundesliga
Seine eigene Karriere als Profispieler musste Nagelsmann mit 20 Jahren verletzungsbedingt aufgeben - nach mehreren schweren Knieverletzungen und einem diagnostizierten Knorpelschaden. Damals kickte er in der zweiten Mannschaft des FC Augsburg unter Thomas Tuchel, der dessen Trainertalent früh erkannte. So begann Nagelsmann seine Trainerkarriere im Stab von Tuchel in Augsburg, später wurde er Assistent bei 1860 München.
Mit dem Ziel vor Augen, Bundesligatrainer zu werden, orientierte er sich vor allem an den etablierten Trainern Pep Guardiola und Tuchel. Er begann seine Ausbildung zum Fußballlehrer im Frühjahr 2015, avancierte bereits mit 25 Jahren zum Interimstrainer in Hoffenheim und wurde schließlich zur Saison 2016/17 als Cheftrainer des Bundesligisten berufen. Mit nur 28 Jahren übernahm er das Ruder von Huub Stevens in Hoffenheim und schrieb somit als jüngster Bundesliga-Coach Geschichte.
Trainer des Jahres 2017
Julian Nagelsmann übernahm Hoffenheim im Abstiegskampf und führte das Team mit einer offensiven und spielfreudigen Spielweise bis in die Spitzengruppe der Bundesliga. 2016 schloss er seine Fußballlehrer-Ausbildung als Zweitbester des Jahrgangs ab und erreichte mit Hoffenheim die Champions-League-Qualifikation. Er wurde daraufhin mit zahlreichen Auszeichnungen überhäuft und wurde Trainer des Jahres 2017.
Trotz vieler Anfragen verlängerte Nagelsmann 2017 seinen Vertrag mit Hoffenheim bis 2021. In der darauffolgenden Saison erreichte er mit seinem Team den dritten Platz in der Bundesliga und schaffte somit die direkte Qualifikation zur Champions League.
Über RB Leipzig zu den Bayern
Im Juni 2018 gab Nagelsmann bekannt, dass er zur Saison 2019/20 zu RB Leipzig wechseln würde. Unter seiner Führung wurde Leipzig dann Herbstmeister, landete am Ende auf Platz drei und erreichte das Champions-League-Halbfinale. In der Saison 2020/21 wurde Leipzig erstmals Vizemeister, schied jedoch im DFB-Pokal und der Champions League aus. Nagelsmann wechselte daraufhin zum FC Bayern München - als Nachfolger von Hansi Flick.
Dieser Wechsel markierte nicht nur einen bedeutenden Schritt in seiner eigenen Karriere, sondern auch einen Meilenstein in der Bundesliga-Geschichte, da die Münchner eine Rekord-Ablösesumme von 25 Millionen Euro für den Trainer zahlten. Unter seiner Führung gewann der Verein den DFL-Supercup im August 2021 und die deutsche Meisterschaft 2022.
Danach zeigten sich erste Risse: Eine bittere 0:5-Niederlage im DFB-Pokal gegen Borussia Mönchengladbach und das unerwartete Champions-League-Aus gegen den FC Villarreal sorgten für Unruhe. Aus den Rissen wurden bald tiefe Verwerfungen. Die Bayern verspielten unter Nagelsmann einen großen Teil der Führung in der Liga auf Borussia Dortmund. Die Entlassung im März 2023 kam aber dennoch überraschend, denn der FC Bayern hatte zu diesem Zeitpunkt noch Chancen auf die Meisterschaft, sowie die Titel in DFB-Pokal und Champions League. Die Münchener verpflichteten daraufhin Thomas Tuchel als Nachfolger.
Innovativer Stratege
Julian Nagelsmann lässt offensiven Fußball mit Kurzpass- und Kombinationsspiel spielen. Bei Ballverlusten setzt er auf schnelles Gegenpressing und defensiv auf Raumdeckung. Zudem betont er die Bedeutung von Teamgeist und sozialer Interaktion im Training. Über die Rolle des Trainers im modernen Fußball sagte Nagelsmann in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung: "Man muss ein Menschenfänger sein. Als Trainer muss man es hinkriegen, dass nicht die Interessen der Spieler, sondern die Interessen des Teams im Vordergrund stehen."
Liverpool-Trainer Jürgen Klopp sieht in ihm ein "herausragendes Trainertalent mit einem unglaublichen Profil". Manuel Neuer beschrieb ihn in einer Pressekonferenz als "dominant", aber auch stets "mit einem offenen Ohr". Joshua Kimmich hält ihn für einen "überragenden Trainer - locker in den Top drei meiner besten Trainer".
Nagelsmann versprach, dass die Nationalmannschaft bei der EM einen "attraktiven Fußball spielen wird, der auch die Zuschauer begeistern wird". Es gehe darum, eine "ganze Nation" wieder in Fußball-Euphorie zu versetzen. Nagelsmann schloss nicht aus, auch über die Heim-Europameisterschaft hinaus die Nationalmannschaft zu betreuen. Jetzt aber liege der komplette Fokus auf der EM.
Mit 36 Jahren ist Julian Nagelsmann nach Otto Nerz der zweitjüngste Bundestrainer der Geschichte. Nerz hatte im Jahr 1926 im Alter von 34 Jahren als erster das Traineramt beim DFB übernommen und blieb bis 1936.
Dieser Artikel wurde nach der Zustimmung der DFB-Gremien zur Verpflichtung Nagelsmanns am 22. September aktualisiert.