Julia Timoschenko ist frei
Rund zweieinhalb Jahre saß Oppositionsführerin Julia Timoschenko hinter Gittern. Am Samstag wurde die Erzfeindin von Präsident Viktor Janukowitsch aus der Haft entlassen. Jetzt will sie Präsidentin werden.
Gezeichnet, aber kämpferisch
Erleichterung bei Julia Timoschenko. Nach zweieinhalb Jahren Haft ist die Hauptgegnerin von Staatspräsident Viktor Janukowitsch frei. Zuletzt war die 53-Jährige in einem Krankenhaus in Charkow inhaftiert - wo sie wegen der Folgen eines Rückenleidens behandelt wurde. Nach ihrer Entlassung reiste Timoschenko nach Kiew. Auf dem Maidan wurde sie unter gewaltigem Jubel gefeiert.
Historische Parlamentssitzung
Wenige Stunden zuvor hatte das ukrainische Parlament, die Oberste Rada, für die sofortige Freilassung der früheren Ministerpräsidentin gestimmt. Am gleichen Tag hatten die Abgeordneten vorgezogene Präsidentschaftswahlen am 25. Mai beschlossen und Präsident Viktor Janukowitsch für abgesetzt erklärt.
Jahrelanger Kampf
Beharrlich hatte Timoschenko für ihre Freilassung gekämpft. Mehrfach trat die Vollblutpolitikerin in den Hungerstreik. Auch ihre Familie machte bei ausländischen Politikern immer wieder auf ihr Schicksal aufmerksam. Andauernde Schmerzen machten Timoschenko in der Haft gesundheitlich zu schaffen. Auch Spezialisten der Berliner Charité-Klinik behandelten sie in der Ukraine.
Politische Justiz
Das Schicksal von Julia Timoschenko hatte die Beziehungen zwischen der ukrainischen Führung und der Europäischen Union jahrelang belastet. Timoschenkos Freilassung zählte zu den wichtigsten EU-Bedingungen für den Abschluss eines Assoziierungsabkommen. Als Präsident Janukowitsch im November 2013 seine Unterschrift unter das Abkommen verweigerte, war das der Startschuss für die Maidan-Proteste.
Ohrfeige aus Straßburg
Nicht nur die EU, auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) kritisierte die Justiz in der Ukraine. Im April 2013 stellte das in Straßburg beheimatete Gericht fest, dass die Ukraine im Fall Timoschenko Menschenrechte verletzt hat. So sei unter anderem die Untersuchungshaft willkürlich gewesen. Direkte Folgen hatte die Rüge des EGMR aber nicht.
Verurteilung wegen Amtsmissbrauchs
Timoschenko war im August 2011 in Untersuchungshaft genommen worden. Zweieinhalb Monate später wurde sie wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft und umgerechnet 137 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Timoschenko als Regierungschefin ihre Kompetenzen überschritten hatte, als sie im Jahre 2009 Gasverträge mit Russland unterschrieben hat.
Symbolfigur Timoschenko
Julia Timoschenko gilt vielen als Symbol für die pro-demokratische "Revolution in Orange" vor zehn Jahren. Zweimal amtierte die Politikerin als Ministerpräsidentin in Kiew. Als Regierungschefin kämpfte sie in dieser Zeit stets für einen schnellen EU-Beitritt.
Gemischte Bilanz
Im Westen genießt Timoschenko bis heute einen guten Ruf als demokratische Revolutionsführerin. In ihrem eigenen Land wurde die Frau mit dem geflochtenen Haarkranz indes während ihrer Regierungszeit zunehmend unpopulär. Am Ende scheiterte sie an unsicheren Mehrheitsverhältnissen im Parlament.
Präsent ohne Anwesenheit
Auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew war das Konterfrei der Oppositionsführerin während der wochenlangen Demonstrationen stets präsent. Nach ihrer Entlassung aus der Haft kündigte Timoschenko an, bei den Präsidentschaftswahlen zu kandidieren. Als derzeit beliebteste Politikerin in der Ukraine stehen ihre Chancen nicht schlecht.