"Der Wald stirbt in einigen Teilen"
25. September 2019Wie dramatisch die Lage aus ihrer Sicht ist, versuchen Demonstranten am Mittwoch schon vor Beginn des Nationalen Waldgipfels in einem Berliner Hotel zu veranschaulichen: Wo sonst die Limousinen der Gäste vorfahren, versperrt ein Traktor den Weg. An der hochgefahrenen Schaufel prangt ein Transparent: "Wald in Not". Dazu der Appell "Fachkräfte erforderlich". Mit ihrer Aktion demonstriert die IG BAU (Industrie-Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt) für einen Kurswechsel in der Forstwirtschaft.
"Der klimagerechte Umbau des Forstes - weg von Monokulturen, hin zum Mischwald - ist eine Mammutaufgabe, die sich nur mit zusätzlichem Personal stemmen lässt", sagt der stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Harald Schaum. Nach Informationen seiner Gewerkschaft ging die Zahl der Forst-Beschäftigten seit der Jahrtausendwende je nach Bundesland und Art des Betriebes um bis zu 50 Prozent zurück. "Besonders rächt sich jetzt der jahrelange Personalabbau bei der öffentlichen Hand", kritisiert Schaum.
Um die Schäden aus den Dürre-Jahren 2018/19 zu beseitigen und die Aufforstung zu forcieren, seien bei elf Millionen Hektar Wald 11.000 zusätzliche Beschäftigte nötig. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner geht auf derlei konkrete Forderungen zwar nicht ein, lobt aber das Engagement aller, die sich für den deutschen Wald einsetzen. Die Christdemokratin rechnet mit zusätzlichen Mitteln des Bundes aus dem Programm, das vor wenigen Tagen vom sogenannten Klimakabinett beschlossen wurde.
Verloren: 180.000 Hektar Wald
Von 547 Millionen Euro für die kommenden vier Jahre ist die Rede. Klöckner erwartet allerdings, dass auch die Bundesländer mehr Geld für die Rettung des Waldes in die Hand nehmen. Insgesamt soll so ein Betrag von rund 800 Millionen Euro zusammenkommen. Um ihren Vorstellungen Nachdruck zu verleihen, wählt Klöckner drastische Worte: "Der Wald stirbt in einigen Teilen."
Über 180.000 Hektar habe man verloren - durch Waldbrände, Dürre, Borkenkäfer: "Es hat lange gedauert, bis man überhaupt darüber geredet hat." Ihr Ministerium arbeite aber schon "sehr, sehr, sehr lange" an diesem Thema, betont die Ministerin. Als Beispiele nennt sie Waldumbau und Forschung: "Aber das war nie so richtig im öffentlichen Blickfeld." Das habe sich inzwischen geändert. Aber der Grund sei "traurig", sagt Klöckner.
Allein 2018 sei durch Waldbrände eine Fläche in der Größe von 3300 Fußballfeldern verloren gegangen. Eine fast schon lächerlich anmutende Dimension angesichts anderer Zahlen, mit denen die Christdemokratin das Ausmaß der Schäden zu illustrieren versucht: 180.000 Hektar Wald sind demnach betroffen. "Das entspricht etwa 250.000 Fußballfeldern" - Klöckner bezeichnet den Berliner Waldgipfel deshalb als "Krisengipfel". Ähnlich äußert sich die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, Beate Jessel. Es gebe zwar kein "Waldsterben", aber eine "Waldkrise". Man brauche eine "ehrliche, sachliche Analyse".
"Der Wald ist für uns Deutsche etwas sehr Emotionales"
Details liefert der Direktor der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt, Hermann Spellmann. "Unser Wald ist wirklich systemrelevant", sagt er zu Beginn seiner Bestandsaufnahme. Der Wald stehe in einer Wechselbeziehung zum Klimawandel. Beispielhaft nennt der Experte das sogenannte "Trockenstress-Risiko" für Bäume. Das wird seiner Prognose zufolge weiter steigen, weil es in der für Pflanzen wichtigen Vegetationsphase weniger regnet und wärmer wird.
Dürre und Hitze haben dem Wald 2018 und in diesem Jahr mehr denn je zugesetzt. Ein ideales Klima für den Borkenkäfer, der sich massenhaft durch die Rinde der Bäume frisst. Außerdem sind viele, vor allem junge Bäume schlicht vertrocknet.
Abhilfe soll unter anderem ein anderer Mix des Waldes schaffen: weniger Nadel- und mehr Laubbäume. Daran arbeitet die Wald- und Forstwirtschaft nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums schon länger. "Die bessere Durchmischung verteilt das Risiko, wirkt stabilisierend und bereitet die Wälder besser auf den Klimawandel vor", heißt es im Eckpunkte und Maßnahmen-Papier aus Julia Klöckners Haus.
Ihr sei es egal, wer welchen Baum pflanze, sagt die Ministerin, offenbar in der Hoffnung, dass alle an einem Strang ziehen. Fast beschwörend fügt sie hinzu: "Der Wald ist für uns Deutsche etwas sehr Emotionales."