Jugend im Iran
13. März 2008Es ist jedes Mal das gleiche Gefühl der großen Ungewissheit, das Mohsen beschleicht, wenn er von der Arbeit im Norden Teherans an seinen Schreibtisch zurückkehrt und seinen PC anschaltet: Ist seine Webseite abermals blockiert oder wieder nur über Umwege im World Wide Web erreichbar? Der 27-Jährige IT-Ingenieur führt wie viele junge Iraner seit drei Jahren ein Internettagebuch. Und er ist inzwischen einer der bekanntesten Blogger in der iranischen Hauptstadt. Doch Mohsen ist verärgert. Er glaubt, dass Weblogs oder Webseiten, die vor allem bei Irans Jugendlichen beliebt sind, wie z.B. 'Yahoo Messenger' oder 'Orkut' systematisch blockiert und gefiltert werden.
"Mein Weblog wird auf mehreren Internet Service Providern blockiert, obwohl da nur ein geringer Teil wirklich politisch ist", berichtet er. Heute suchten zwar viele noch politische, aber zunehmend auch spaßorientierte Formen der Kommunikation – wie etwa das virtuelle soziale Netzwerk 'Orkut'. "Das hatte auf viele junge Leute eine große Anziehungskraft. Doch nach drei, vier Monaten wurde die Seite komplett blockiert – nur weil die Seite so populär war und die Zahl der Mitglieder stetig wuchs."
Parties und Razzien
Aufgrund der massiven Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit suchen heute immer mehr Jugendliche das Internet, um aus der Enge und den Zwängen des staatlichen Kontrollapparats auszubrechen und um neue Leute kennen zu lernen. Viele Jugendliche nutzen das Internet auch als Fenster zur "Welt", um an unzensierte Informationen zu kommen, verbotene westliche Spielfilme zu sehen oder Musik zu hören.
Irans Jugend hat sich beachtliche Freiräume erobert: Vor allem die Kinder der oberen Mittelklasse in den großen Metropolen pflegen einen westlichen Lebensstil. Man hört Jazz, Rock und Popmusik in angesagten Jugendtreffs und Szene-Cafes, man unterhält sich über Kunst, Literatur und Musik. Oder man geht auf illegale private Partys, auf denen getanzt und Alkohol getrunken wird. Doch heute geht das Regime deutlich härter gegen Jugendliche vor, die sich dem strikten religiös-moralischen Sittenkodex nicht unterwerfen wollen: Polizei-Razzien gegen illegale Feiern, Besitzer von verbotenem Satellitenfernsehen sowie junge Rock- und Popmusiker, die im Untergrund spielen müssen, da sie offiziell als "westlich-dekadent" gelten. So auch die iranische Rockband "127", die sich wieder zur Zeit des liberalen Präsidenten Chatami zurücksehnt. Ihr Bassist, Dariyush, berichtet:
Musiker brauchen staatliche Lizenz
"Ich glaube, im Vergleich zur Situation vor drei Jahren hat sich hier vieles sehr verschlechtert. Damals konnten wir zweimal im Jahr Konzerte geben. Heute ist das für uns wie ein Traum", sagt Dariyush, der Bassist von "127". Damals sei vieles noch möglich gewesen. Das es jetzt viel schwieriger ist, "hängt sicher mit dem Ministerium für Kultur und islamische Führung 'Ershad' zusammen."
Diese Einrichtung beobachtet mit Argusaugen die Musikszene im Iran. Dabei sind die Entscheidungen des Ministeriums, welche Musikgattung erlaubt und welche verboten ist, meist willkürlich und nicht nachvollziehbar, meint die junge iranische Sängerin Golnaz: "Konzerte müssen auf jeden Fall vom 'Ershad'-Ministerium genehmigt werden. Die Gruppe muss behördlich registriert sein. In keinem demokratischen Land der Welt braucht ein Musiker eine solche staatliche Erlaubnis."
Die Frustration ist groß, vor allem bei den jungen künstlerisch und sozial ambitionierten Iranern. Der Druck auf sie hat in der Regierungszeit Ahmadinedschad inzwischen soweit zugenommen, dass einige von ihnen bereits von einer Rückkehr zur Ära Ayatollah Chomeinis sprechen.