Jugend hackt
29. Dezember 2016Deutsche Welle: Was ist "Jugend hackt"?
Daniel Seitz: "Jugend hackt" ist ein Programm für junge, technikbegeisterte Menschen. Unser Motto lautet: "Mit Code die Welt verbessern". Wir veranstalten regelmäßig Events, bei denen wir Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 Jahren die Gelegenheit geben, zusammen mit Gleichgesinnten an ihren Ideen für eine bessere Welt zu tüfteln.
Das heißt, ihr seid kein Verein, sondern organisiert Veranstaltungen für Jugendliche. Hackathons?
Genau, Hackathon ist das Format, unter dem wir agieren. Aber wir selbst verwenden diesen Begriff kaum. Diejenigen, die schon mal auf einem Hackathon waren, die wissen was gemeint ist, aber die meisten können sich darunter nichts vorstellen. Uns ist es wichtig, auch neue Jugendliche zu erreichen - besonders diejenigen, die ansonsten nicht so technologiebegeistert sind. Mit einem Begriff wie Hackathon klappt das nicht.
Was kann ich mir denn genau darunter vorstellen - was passiert bei solch einem Event?
In der Regel starten wir mit einem Themenschwerpunkt ins Wochenende. Nach einer ersten Inputphase geht es für die Jugendlichen dann ans Brainstorming. Sie entwickeln ihre eigenen Prototypenideen und setzen diese dann in Teams um.
Das ganze Wochenende über arbeiten sie mit unseren Mentoren zusammen, die zum einen Tipps geben, vielmehr aber sicherstellen, dass sich die Vorhaben der Jugendlichen im Bereich des Machbaren befinden - nicht, dass sich die Teilnehmer Projekte überlegen, die utopisch für die zur Verfügung stehende Zeit sind. Sonntagnachmittags findet dann immer die große Abschlusspräsentation statt.
Das klingt noch ganz schön theoretisch. Was könnte denn ein Themenschwerpunkt für so ein Wochenende sein - und was das Ergebnis?
Bei unserem Hauptevent in Berlin hatten wir zuletzt das Thema "Grenzen im Kopf". Nachdem wir im Jahr zuvor "#refugeeswelcome" ganz allgemein zur Zeit der Willkommenskultur gewählt hatten, wollten wir in diesem Jahr den Fokus stärker auf die eigene Verantwortung setzen und auch auf die Vorurteile, die jeder von uns irgendwie in sich trägt.
Wir wollten das Augenmerk der Jugendlichen darauf legen, Verantwortung nicht abzuschieben. Das resultiert oft darin, dass man in zu großen Lösungen denkt. Wir wollten eher im Kleinen gucken, wo können die Jugendlichen selbst zur Besserung beitragen - und wo sind sie vielleicht Teil eines Problems? Wo haben sich bei ihnen selbst womöglich Vorurteile etabliert?
Und was ist dann genau dabei rausgekommen?
Tinder gegen Rassismus. Die Idee dahinter war, Menschen zusammen zu bringen, die sehr unterschiedliche Rassismen und Ansichten in sich tragen.
Bei dieser Art Tinder-Plattform musste man zuerst einen Fragebogen ausfüllen, um sich anzumelden. Daraufhin wurde der User dann mit jemandem zusammen in einen Chatraum geworfen, der in seiner Grundhaltung sehr unterschiedlich war.
Und das hatte zum Ziel…?
... zu verhindern, dass wir uns immer nur in Kreisen bewegen, die uns sehr ähnlich sind, in denen Menschen sehr ähnlich denken. Wenn man nun auf jemanden trifft, der ganz anders ist, lernt man automatisch eine neue Perspektive kennen. Wir fangen an, unsere eigenen Gewohnheiten und Einstellungen zu überdenken und zu hinterfragen. So erweitern wir letztendlich unseren Horizont.
Also müssen die Eltern keine Angst haben, dass ihre Kinder als Hacker nach Hause kommen?
Nein. Genau das impliziert der leider häufig schräg genutzte Hacker-Begriff. Hacken heißt für uns "der kreative Umgang mit Technologie" - und nicht der in den Medien häufig genutzte Hacker-Ausdruck, bei dem es darum geht, irgendwie illegal in Systeme einzudringen oder illegalen Dinge zu tun. Der Name "Jugend hackt" ist deshalb auch sehr bewusst gewählt, weil wir diesem falschen Bild bewusst begegnen wollen.
Tatsächlich könnten Eltern sich freuen, wenn ihre Kinder als Hacker aus dem Wochenende kommen. Denn sie werden sich dabei ganz nebenbei auch der Verantwortung bewusst, die mit dem Umgang mit Technologie einhergeht.
Welche Kinder und Jugendliche melden sich bei "Jugend hackt" an?
Das ist total bunt gemischt. Wir freuen uns, dass immer wieder totale Einsteiger bei uns aufschlagen. Andererseits gibt es aber auch viele Jugendliche, die irgendwelche abgefahrenen Programmiersprachen können, bei denen wir uns schon schwer tun, Mentoren zu finden, die den Kids noch etwas beibringen können. Viele sind dann mit 14,15,16 Jahren schon so weit in ihrem Können, dass die Erwachsenen ihnen in bestimmten technischen Bereichen kaum noch etwas beibringen können.
…das sind dann Naturtalente?
Irgendwie schon. Wichtig ist aber zu wissen: Dass, was die Jugendlichen an dieser Stelle können, haben sie sich selbst beigebracht. Denn bisher gibt es leider immer noch keine Orte, wo sie es wirklich von Klein auf lernen können. Die Gesellschaft und unser Bildungssystem gehen leider gar nicht auf diesen Bedarf bei den Jugendlichen ein - auch wenn es immer wichtiger und interessanter für die Kinder wird.
Der einzige Vorteil im Gegensatz zu den Hackern von vor 20 Jahren ist, dass unsere Jugendlichen das Internet haben. Durch diesen Zugang sind sie den alten Hasen um einiges voraus.
Merkt man denn, dass das Interesse unter den Jugendlichen steigt?
Ja, total. Wir haben 2013 mit 60 Jugendlichen angefangen und wussten nicht, ob überhaupt Interesse besteht. Aber die Plätze waren ausgebucht. Im vierten Jahr hatten wir knapp 500 Plätze und die haben bei weitem nicht gereicht. Wir hatten deutlich mehr Anmeldungen als wir bedienen konnten.
Daniel Seitz ist Medienpädagoge und pädagogischer Leiter von "Jugend hackt", ein Programm zur Förderung des Programmiernachwuchses im deutschsprachigen Raum. Außerdem ist er Geschäftsführer von "mediale pfade", einem Verein für Medienpädagogik, der "Jugend hackt" seit 2013 zusammen mit der "Open Knowledge Foundation" veranstaltet.
Das Interview führte Hannah Fuchs.