Religiöser als erwartet
10. Juli 2008Massenhafte Begeisterung für Papst Benedikt, der wie ein Popstar bejubelt wird, oder Bücher mit religiösen Themen auf den Bestsellerlisten: nur zwei der heraus stechenden Phänome, die selbst Experten in den vergangenen Monaten überrascht hatten. Die jetzt bekanntgewordene Sonderauswertung des internationalen "Religionsmonitors" bei der Bertelsmann Stiftung - allgemein als seriös eingeschätzt - gibt Aufschluss über weltweit gemeinsame, aber genauso auch über kulturell und regional divergierende Trends. Zu der Studie, erstellt anlässlich des katholischen Weltjugendtags im australischen Sydney ab 15. Juli, wurden mehr als 20.000 Personen in 21 Staaten befragt.
Gott und Glaube global
Etwa vier von fünf Menschen (85 Prozent) zwischen 18 und 29 Jahren weltweit bezeichnen sich demnach als religiös, fast die Hälfte (44 Prozent) sogar als hochreligiös. Für 13 Prozent spielt hingegen Frömmigkeit keine Rolle.
Der Leiter des Bertelsmann-Projekts "Religionsmonitor", Dr. Martin Rieger, betont, ein "Absterben der Religion" sei entgegen landläufiger Spekulationen vor allem in den wohlhabenden Industriestaaten "auszuschließen".
Der Islam erscheint allmächtig
Junge Erwachsene in islamischen oder islamisch geprägten Staaten und Entwicklungsländern sind besonders gläubig. In Nigeria ist es für 93 Prozent üblich, mindestens einmal täglich zu beten. Ähnliches gilt in Guatemala (88 Prozent), Indien, der Türkei oder Marokko, mit Werten über 70 Prozent.
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Europäer weiterhin eher skeptisch
Junge Christen in Europa werden hingegen als eher "religionsfern" eingeschätzt. Unter den jungen Katholiken fanden sich nur 25 Prozent Hochreligiöse, unter den Protestanten gerade sieben Prozent. Ein Viertel müssten "als Karteileichen ihrer Kirchen" betrachtet werden, kommentieren die Wissenschaftler.
Jugend glaubt an ein Jenseits
In Deutschland hielten sich laut Studie 52 Prozent der Befragten für religiös und weitere 14 Prozent für hochreligiös. Auch der Glaube an Gott, ein Weiterleben nach dem Tod oder Wiedergeburt sei mit 41 Prozent stärker ausgeprägt als in jeder anderen Altersgruppe, so die Statistiker des "Religionsmonitors". Kaum jemand hatte damit gerechnet, dass in der Bundesrepublik Jüngere inzwischen häufiger an ein Jenseits und ewiges Leben glauben als Senioren.
Projektleiter Rieger, von Haus aus Philosoph und Theologe, stellt klar, dass es sich bei der Jugend nicht nur um eine Modeerscheinung von Spiritualität handele oder Teenager-Begeisterung für ein Gemeinschaftsgefühl. Das Team aus Soziologen, Psychologen und Sozialwissenschaftlern habe eindeutig "transzendentale Bezüge" ausgemacht. Religiösität dürfe aber auch nicht mit "Kirchlichkeit" gleichgesetzt werden. Insbesondere die Jugend gehe "einfach unverkrampfter" und "unideologischer" auch an die grundsätzlichen Fragen des Lebens heran.