Enttäuschung in Frankfurt
2. Februar 2012
Es hat ihm sicherlich ein glänzenderer Auftritt vorgeschwebt, als der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann am Donnerstag vor die Öffentlichkeit trat, um zum letzten Mal die Bilanzpressekonferenz zu leiten. Eigentlich wollte der Schweizer einen Rekordgewinn von zehn Milliarden Euro bekanntgeben. Und das sei noch lange nicht das Ende der Fahnenstange, hatte er vor ziemlich genau einem Jahr getönt. 5,4 Milliarden Euro Gewinn vor Steuern sind es 2011 letztendlich geworden. Eine Enttäuschung, obwohl die größte deutsche Bank damit ihren Gewinn im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt hat.
Im Herbst platzte der Traum vom Rekordgewinn, denn die Schuldenkrise hatte das sonst so lukrative Investmentbanking zum Stillstand gebracht. Gerade diese Sparte hatte in der Vergangenheit für satte Gewinne in der Deutschen Bank gesorgt. 2011 fiel hier im vierten Quartal sogar ein Verlust an, der auch das Vorsteuerergebnis des ganzen Instituts in die Verlustzone drückte. Zusätzlich wogen Sonderbelastungen schwer, beispielsweise Abschreibungen auf kriselnde Unternehmensbeteiligungen und auf griechische Staatsanleihen. Ackermann bewertet die Bilanz 2011 trotzdem als gut. "Die Deutsche Bank hat erneut bewiesen, dass sie auch unter schwierigen Bedingungen ansehnliche Ergebnisse erzielen kann."
Keine Erlösung im Investmentgeschäft zu erwarten
Auch in Zukunft wird das Umfeld auf dem Kapitalmarkt schwierig bleiben, meint Ackermann. Investmentbanken dürften selbst bei einem besseren Marktumfeld auf absehbare Zeit das hohe Ertragsniveau früherer Spitzenzeiten nicht mehr erreichen. "Doch auch wenn der Kuchen künftig kleiner werden dürfte, kann sich die Deutsche Bank daraus ein größeres Stück herausschneiden", hofft er. "Wir sind sicher, dass wir - nach erfolgter Marktkonsolidierung - auch in Zukunft viel Freude daran haben werden."
Ob Anshu Jain, der derzeitige Chef der Investmentsparte nur Freude an dem Geschäft haben wird, ist aber fraglich. Immerhin wurde das von ihm verantwortete Investmentgeschäft zusätzlich belastet, weil der Deutschen Bank hohe Kosten aus den Rechtsstreitigkeiten wegen umstrittener Hypothekengeschäfte in den USA drohen. Das Institut muss sich gegen zahlreiche Klagen zur Wehr setzen, bei denen ihr unlautere Geschäftspraktiken vor allem aus der Zeit vor der Finanzkrise vorgeworfen werden. Dafür wurden 350 Millionen Euro zurückgelegt.
Sparen, sparen, sparen
Auch wenn Ackermann in den vergangenen Jahren stark in das Privatkundengeschäft investiert hat und dort die Gewinne stabil sind - die Einbußen aus dem Investmentgeschäft konnten im vergangenen Jahr auch über die rund 30 Millionen Privatkunden nicht wettgemacht werden. Trotzdem erwiesen sich das Privatkundengeschäft sowie die Vermögensverwaltung als gute Stützen. Das Privatkundengeschäft erzielte einen Rekordgewinn von 2,5 Milliarden Euro vor Steuern - vor einem Jahr hatte die Bank hier nur knapp eine Milliarde verdient. Nun zahlen sich die milliardenschweren Zukäufe von Postbank und Sal. Oppenheim aus. Auch das einstige Sorgenkind der Bank, die Vermögensverwaltung konnte ihr Ergebnis von 59 Millionen Euro auf 165 Millionen Euro steigern.
Für die Zukunft erwartet Ackermann hier außerdem durch die Integration der Postbank und eine stärkere Verzahlung mit der Investmentbank "erhebliche Synergieeffekte". Weitere künftig mögliche Ertragseinbußen will die Bank abfedern, indem sie an der Kostenschraube dreht. Laut Ackermann sind Einsparungen von über einer Milliarde geplant, im Vorjahr waren es 600 Millionen Euro.
Die Deutsche Bank zählt zu jenen Instituten, bei denen die EU-Bankenaufsicht EBA beim jüngsten "Blitz-Stresstest" ein Kapitalloch ausgemacht hat - 3,2 Milliarden Euro. Die Lücke hat die Deutsche Bank nach eigenen Angaben schon nach drei Monaten gestopft. Mit 9,5 Prozent habe die harte Kernkapitalquote zum Jahresende 2011 über den von der Londoner EBA geforderten neun Prozent gelegen, heißt es von dem Institut. Noch Ende September 2011 fehlten 3,2 Milliarden Euro, um auch bei einer Abschreibung aller Staatsanleihen auf Marktwerte auf die vorgegebene Quote zu kommen. Das Kernkapital habe sich im vergangenen Jahr von 34 auf 36 Milliarden Euro erhöht.
Große Aufgaben für die Nachfolger
Seit zehn Jahren steht Josef Ackermann an der Spitze der Deutschen Bank und gilt als einer der einflussreichsten Männer der deutschen Wirtschaft. Zuletzt eilte er von Krisengipfel zu Krisengipfel, um als Vertreter der internationalen Bankenbranche eine Lösung für das hochverschuldete Griechenland auszuhandeln. Die europäische Staatsschuldenkrise "ist und bleibt die größte Herausforderung für Realwirtschaft und Finanzsystem", glaubt Ackermann. Die Wirtschaft in der EU werde 2012 bestenfalls stagnieren.
Wie sich die Deutsche Bank in diesem Umfeld positioniert, wird Sache seiner beiden Nachfolger sein. Ab Mai 2012 teilen sich Anshu Jain und Jürgen Fitschen die Leitung des Branchenprimus. Ihre Aufgabe wird es dann sein, zweistellige Milliardengewinne einzufahren, um so zu den großen amerikanischen Rivalen wie JPMorgan aufzuschließen. Bankexperten sind allerdings skeptisch, dass das Institut schnell wieder zu Hochform auflaufen kann. "Es ist nicht davon auszugehen, dass die Deutsche Bank im ersten und zweiten Quartal 2012 im Investmentbanking zu den Ergebnissen der Vorjahre zurückkehren wird", sagt Merck-Finck-Analyst Konrad Becker. "Die Rentabilität der Deutschen Bank wird erst mal gedämpft bleiben."
Autorin: Insa Wrede (mit rtr, afp, dpa)
Redaktion: Henrik Böhme