Johnson übernimmt Verantwortung für Wahlschlappe
7. Mai 2022Bei den Kommunalwahlen in Großbritannien haben die Konservativen von Premierminister Boris Johnson ersten Ergebnissen zufolge schmerzhafte Verluste hinnehmen müssen. So konnte die oppositionelle Labour-Partei erstmals die Kontrolle über den Bezirksrat im Londoner Innenstadtbezirk Westminster erringen, in dem sich die Regierungsgebäude und viele Wahrzeichen der Stadt befinden. Auch die Bezirke Wandsworth und Barnet, die seit Jahrzehnten fest in konservativer Hand waren, gingen an die Sozialdemokraten. Zumindest symbolisch gilt das als schwere Niederlage für den Premier.
"Wir haben eine harte Nacht hinter uns in einigen Teilen des Landes, aber andererseits haben wir auch Zugewinne gemacht an Orten, die lange nicht, wenn überhaupt schon einmal, konservativ gewählt haben", sagte Johnson zu Reportern beim Besuch einer Schule in London. Johnson bejahte die Frage, ob er Verantwortung für die Ergebnisse übernehme.
Botschaft der Wähler erkannt
"Die wichtigste Botschaft der Wähler ist, dass wir uns um die Dinge kümmern sollen, die ihnen am wichtigsten sind", führte der Regierungschef aus. Der Unmut der Wähler entzündete sich an Vorwürfen, dass am Amtssitz des Premiers trotz eines geltenden Corona-Lockdowns Partys gefeiert wurden. Aber auch die drastisch gestiegenen Lebenshaltungskosten stehen im Fokus. Ein schwaches Wahlergebnis könnte auch Johnsons Kritikern in den eigenen Reihen Auftrieb geben, die an seiner Mehrheitsfähigkeit bei der bis Ende 2024 anstehenden Parlamentswahl zweifeln.
Der Tory-Abgeordnete Tobias Ellwood forderte Johnson denn auch zum Rücktritt auf. Das Vertrauen des britischen Volkes sei zerstört. Im Wahlkampf hatten sich konservative Kandidaten vielerorts von ihrem Parteichef distanziert und teilweise darum gefleht, sie nicht für Fehler der Regierung verantwortlich zu machen.
Die Labour-Partei feierte ihren Sieg in den Londoner Wahlbezirken als Signal für einen Politikwechsel in Großbritannien. "Dies ist ein gewaltiger Wendepunkt für uns", sagte Parteichef Keir Starmer. Er verwies auf den Tiefpunkt bei der Parlamentswahl 2019, als die größte Oppositionspartei deutliche Verluste erlitten hatte. "Wir haben Labour verändert", sagte Starmer nun und sprach von einer "Botschaft an Premierminister Johnson".
Außerhalb Londons erzielte Labour nach bisherigen Ergebnissen aber nur begrenzte Erfolge. Kleinere Parteien wie die Liberaldemokraten und die Grünen legten jedoch zu. In der nordostenglischen Stadt Hull etwa wurden die Liberaldemokraten stärkste Kraft.
Gespanntes Warten auf Nordirland
Insgesamt wurde über Tausende Sitze in Gemeinde- und Bezirksräten in weiten Teilen Englands sowie in Wales und Schottland abgestimmt. In Nordirland wurde ein neues Regionalparlament gewählt. Mit der Auszählung der Stimmen wurde erst an diesem Freitag begonnen. Umfragen sehen die katholisch-republikanische Partei Sinn Fein erstmals als stärkste Kraft in der Unruheprovinz. Nach ersten Ergebnissen liegt Sinn Fein in Führung, die pro-britische DUP liegt klar zurück. Es wäre das erste Mal in der 100-jährigen Geschichte der britischen Provinz, dass eine irisch-nationalistische Partei das Parlament dominieren würde. Sinn Fein hatte im Vorfeld eine Abstimmung über eine Wiedervereinigung des britischen Nordirlands mit der Republik Irland versprochen.
uh/hf (dpa, rtr)