Rumäniens Präsident sieht die EU nicht vor einer Spaltung
9. September 2016DW: Herr Präsident, ein Top-Thema beim EU-Gipfel in Bratislava in der nächsten Woche wird die Flüchtlingskrise sein. Wird Rumänien der Linie der Bundeskanzlerin folgen und sich in dieser Frage für mehr Solidarität einsetzen, oder besteht die Möglichkeit, dass Rumänien sich den Visegrad-Staaten annähert und die Flüchtlingsquote glatt ablehnt?
Klaus Johannis: Rumänien hat von Anfang an ganz klar gesagt: Wir wollen Teil der Lösung sein und nicht Teil des Problems. Das haben wir auch konsequent so verfolgt. Es ist vielleicht gar nicht so bekannt, dass wir die Entscheidung, selbst wenn wir anfangs gegen die Quote gestimmt haben, angewendet haben, nachdem sie getroffen wurde. Rumänien nimmt Flüchtlinge auf - so viele, wie auch nach Rumänien kommen wollen, und das sind nicht viele. Das ist aber nur ein Teil dessen, was wir tun. Bei Frontex ist Rumänien der zweitgrößte Teilnehmer nach Deutschland. So sehen wir unsere Aufgabe in der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Wir wollen keinesfalls daneben stehen und zusehen, wir wollen mitmachen, mitlösen.
DW: Wenn wir jetzt sehen, dass die sogenannte Balkanroute immer dichter wird, durch zusätzliche Mauern und Zäune, und darüber geredet wird, dass eine weitere Route in Südosteuropa eröffnet werden könnte, diesmal über das Schwarze Meer und Rumänien - hat Rumänien einen Notfallplan für diese Situation?
Klaus Johannis: Rumänien ist nicht Mitglied des Schengen-Raums, leider. Aber das hat uns in die Situation gebracht, unsere Außengrenze selbst zu schützen. Wir tun das mit recht gutem Erfolg. Es gab Versuche von Flüchtlingsgruppen aus Richtung Serbien nach Rumänien zu kommen und von da weiter zu ziehen, aber wir haben das verhindern können. Genauso werden wir es verhindern, falls jemand über das Schwarze Meer nach Rumänien kommen wollte. Wir haben das mit unseren Nachbarn besprochen. Doch es ist eher unwahrscheinlich, dass Menschen dies versuchen würden, weil das Schwarze Meer viel schwieriger zugängig ist als zum Beispiel das Mittelmeer.
DW: Glauben Sie, dass Europa an der Flüchtlingsfrage zerbrechen wird? Kann es zu einer Abspaltung Kerneuropas kommen - und die Peripherie bliebe sich selbst überlassen?
Klaus Johannis: Nein, das denke ich nicht. Ich glaube an Europa, ich bin ein Pro-Europäer. Die EU wird diese Krise in den Griff kriegen, so wie sie auch frühere Krisen in den Griff bekommen hat. Die Migrationsfrage wird nicht zur Spaltung Europas führen.
Klaus Johannis ist seit 2014 Präsident Rumäniens. Er gehört der deutschen Minderheit der Siebenbürger Sachsen in Rumänien an und war vorher Oberbürgermeister von Hermannstadt/Sibiu.
Das Interview führte Robert Schwartz