Schwierige Zeiten für Johannesburg
8. Mai 2014In Braamfontein oder Maboneng ist die Apartheid nur noch ein ferner Alptraum. Die beiden Viertel Johannesburgs sind beliebt. Menschen aller Hautfarben schlendern an Coffeeshops und Designerläden vorbei. Auf Nachbarschaftsmärkten verkaufen Anwohner Fingerfood aus aller Welt.
Doch diese Viertel sind die Ausnahme - sonst ist die Trennung der Rassen und Klassen weiterhin fast überall Realität. Im Zentrum Johannesburg sind weiße Südafrikaner kaum zu sehen.
"Es ist erstaunlich wie sich die weißen und wohlhabenden Bürger wegen der Unsicherheit, die das Ende der Apartheid mit sich brachte, aus dem Stadtleben und in die Vororte zurückgezogen haben", sagt der Architekt und Stadtplaner Guy Trangos. "Es wird oft gesagt, dass die Mauern der Apartheid fielen, die Mauern der Vororte aber hochgezogen wurden", so Trangos.
"Gated Communities" im Norden - "No-Go-Areas" im Stadtzentrum
Wer es sich leisten kann, lebt heute in geschützten und streng bewachten Wohnanlagen im Norden Johannesburg - den so genannten "Gated Communities". Stacheldraht, meterhohe Mauern und Wachhunde sollen Einbrecher abschrecken.
Die Innenstadt, zu Zeiten der Apartheid der weißen Minderheit vorbehalten, erlebte seit Ende der achtziger und vor allem in den neunziger Jahren einen rasanten Wandel. Banken und Unternehmen zogen fort. Während die weiße, meist wohlhabende Bevölkerung verschwand, zogen schwarze, arme Südafrikaner und Flüchtlinge aus Nachbarländern ins Zentrum in die leer stehenden Gebäude.
"Da sind richtige Slums entstanden", sagt die südafrikanische Architektin Anne Graupner, deren Eltern aus Österreich stammen. "Die Leute, die ihre Gebäude verließen, zahlten nicht mehr für Wasser und Elektrizität und dann sind die Häuser von anderen übernommen worden", so Graupner. Teilweise übernahmen selbsternannte "Besitzer" die Gebäude und kassierten von den Bewohnern Miete.
"Die offiziellen Besitzer hatten überhaupt keine Chance, das Gebäude zurückzunehmen, denn das ging nur mit Gewalt", erklärt Graupner.
Besetzte Häuser als Risikofaktor
Besetzte Gebäude, die von illegalen "Slumlords" regiert werden, gibt es Hunderte in Johannesburgs Innenstadt. Hunderte Menschen leben in den Häusern, oft zu dutzenden in die viel zu kleinen Wohnungen gedrängt. Strom und Wasser sind nicht vorhanden. Da die Fahrstühle in den Hochhäusern nicht funktionieren und es auch keine Müllabfuhr gibt, werfen die Bewohner ihren Abfall häufig aus dem Fenster.
"Wenn man an einem besetzten Haus vorbeigeht, muss man aufpassen, dass einem kein kaputter Fernsehapparat auf den Kopf fällt", sagt Bafikile Mkhize und lacht. Die 42-Jährige wohnt im dichtbesiedelten Stadtteil Hillbrow, der nördlich an das Geschäftsviertel anschließt. Sie leitet den Verein Ekhaya, der mit Hilfe eines privaten Sicherheitsdienstes und Sozialarbeitern versucht, das heruntergekommene und gefährliche Hillbrow sauberer und sicherer zu machen.
"Ich möchte nicht in einer Stadt leben, in der ich nach Einbruch der Dunkelheit das Haus nicht mehr verlassen kann, weil ich Angst vor Überfällen haben muss", erklärt Mkhize ein Motiv ihrer Arbeit.
Kriminalität ist in weiten Teilen Johannesburgs ein Problem. Das Zentrum gilt bis heute als gefährlich - vor allem nachts und für Weiße wie für Schwarze. Viele der Gebäude dort verfielen zusehends.
Zum Kino-Abend ins Ghetto
Doch seit einiger Zeit fließt wieder Geld in die Innenstadt. Immobilienentwickler und Investoren versuchen mit neuen Konzepten einzelne Stadtviertel aufzuwerten. Das Unternehmen Urban Ocean etwa erwirbt historische Gebäude im ehemaligen Geschäftsviertel Johannesburgs. Die Firma, saniert sie und verkauft oder vermietet darin Luxusappartments und edle Büroräume.
Der Südafrikaner Jonathan Liebman dagegen hat sich gleich mehrere Straßenzüge mit ehemaligen Lagerhallen und Industrieanlagen östlich des Zentrums vorgenommen, sie umgebaut und daraus den hippen Stadtteil Maboneng erschaffen. Kinos, Büros, ein Hostel, Galerien und schicke Restaurants locken die Johannesburger Mittel- und Oberschicht in den vor kurzem noch heruntergekommenen Bezirk. Auch Thireshen Govender, der hier als Stadtplaner arbeitet, reizte das Projekt.
"Mir gefällt das Gefühl, dass etwas in der Innenstadt Johannesburgs stimuliert wird", sagt Govender. "Ich mag, dass bestehende Gebäude benutzt werden und die Stadtstruktur nicht dramatisch verändert wird. Mir gefällt die Nähe zu den benachbarten Vierteln."
Dennoch sieht auch er in Maboneng eine Art Fremdkörper in einem ansonsten armen Viertel. "Ich glaube, die Leute draußen haben nichts davon, weil sie nicht Teil der wirtschaftlichen Kreisläufen sind", so Govender.
Für Menschen wie Fikile Zulu-Phala ist Maboneng dennoch ein Segen. Die Modemacherin verkauft Kleider westlichen Designs, aber mit südafrikanischen Elementen. Dafür kommt sie extra aus dem Township Soweto im Südwesten Johannesburgs hierher. "Ich liebe Maboneng", sagt sie. "Die Atmosphäre ist angenehm und man trifft Menschen aller Hautfarben. Außerdem fühle ich mich hier sicher."
Kein Platz für Arme
Manche Johannesburger fürchten, dass mit den neuen Investoren, frischem Geld und steigenden Immobilienpreisen, die ärmeren, meist schwarzen Schichten wieder aus der Innenstadt verdrängt werden könnten. Das Phänomen der "Gentrifizierung" kennt man weltweit, in Südafrika hat es jedoch aufgrund der Geschichte der Rassentrennung eine andere Brisanz.
"Wenn man eine tiefe wirtschaftliche Kluft entlang rassischer Linien hat, entzweit man die Bevölkerung sehr stark", meint Guy Trangos. "Mit der steigenden Privatisierung vergrößert sich diese Kluft noch weiter", warnt der Städteplaner.
Damit die Innenstadt von Johannesburg ein Ort für alle Südafrikaner werde, müssten zwar viele Gebäude wiederhergerichtet und es müsse für mehr Sicherheit auf den Straßen gesorgt werden. Aber ebenso wichtig sei bezahlbarer Wohnraum für die ärmeren Johannesburger. Nur dann könnten alle Südafrikaner, egal welcher Hautfarbe, zusammenleben und die Apartheid wirklich überwunden werden.
"Es wird interessant sein zu sehen, wie das Zentrum in zehn Jahren aussieht und wer wirklich Teil davon sein wird", sagt Trangos. "Ich hoffe, dass es immer noch Platz für die momentanen Bewohner geben wird. Es muss so sein."