Jobgarantie für Junge?
5. Dezember 2012Eine unsichtbare Hand sprüht Graffities auf eine Backsteinwand: Erst eine Beschäftigungskurve, dann junge Leute mit Schulbüchern unterm Arm, einem Laptop auf den Knien oder einem Abschlusszeugnis in der Hand. In der nächsten Szene rennen sie gegen die Mauer an. So beginnt ein buntes Video, mit dem die Europäische Union Hoffnung wecken und jungen Menschen zeigen will, dass ihnen Europa Chancen bietet. "Wir behaupten nicht, dass die Situation nicht schwierig sei", heißt es auf der Internetseite der Europäischen Kommission. "Aber der europäische Arbeitsmarkt braucht euch wirklich."
In dem dynamischen Filmclip wirkt alles frisch und einfach, die Zahlen sind allerdings für viele junge Menschen niederschmetternd: Mehr als fünfeinhalb Millionen Jugendliche in Europa haben keinen Job, Tendenz weiter steigend. Vor allem Südeuropa ist davon stark betroffen. Politiker haben Hilfe versprochen, die Erfolge sind bisher aber ausgeblieben. Dazu hat EU-Sozialkommissar Laszlo Andor am Mittwoch (05.12.2012) einen neuen Plan vorgestellt.
Die Vier-Monats-Garantie
Die grundsätzlichen Ideen dazu werden schon seit Monaten diskutiert. Im Kern soll jeder Europäer unter 25 Jahren eine sogenannte Beschäftigungsgarantie bekommen. Spätestens vier Monate nach Job- oder Ausbildungsende soll eine neue Perspektive da sein: eine neue Stelle, ein Ausbildungsplatz oder zumindest ein Praktikum.
Volkswirt Ekkehard Ernst von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) findet das Vorhaben grundsätzlich gut: "Wir begrüßen, dass es solche Initiativen jetzt auch auf europäischer Ebene gibt." Das Problem der Jugendarbeitslosigkeit müsse schnell angegangen werden, sonst werde es immer schwieriger, die Jugendlichen in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
EU nicht zuständig
Ernst hält die Umsetzung allerdings für problematisch, denn rein rechtlich kann die Europäische Union wenig tun. "Die Bildungswesen in den einzelnen Ländern sind nationale Aufgabe. Da kann die EU nicht reinregieren", ergänzt Analyst Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Interview mit der DW. Immerhin könne die EU aber Empfehlungen geben.
Und diese Empfehlungen haben Vorbilder. In Schweden läuft ein solches Garantie-Programm schon seit den 1990er Jahren, und auch Österreich sammelt mit einem ähnlichen System seit einigen Jahren Erfahrungen. In beiden Ländern ist die Jugendarbeitslosigkeit gering. In Österreich liegt sie bei etwas mehr als acht Prozent. In Spanien oder Griechenland, die solche Programme noch nicht haben, ist dagegen jeder zweite Jugendliche arbeitslos.
Südeuropa ist nicht Mitteleuropa
Allerdings könne man die Länder Süd- und Mitteleuropas nicht so einfach vergleichen, meint Analyst Karl Brenke. Im Süden fehle oft die praktische Erfahrung. "Die Ausbildung läuft im Wesentlichen über die Schule, und wenn die Jugendlichen die Ausbildung beendet haben, fassen sie unheimlich schwer Tritt." Die duale Ausbildung in Mitteleuropa würde diesen Schritt wesentlich vereinfachen. Die jungen Menschen erhielten einerseits eine theoretische Ausbildung, seien gleichzeitig aber schon in Betriebe eingebunden. Dadurch könnten sie viel früher Kontakt zur Arbeitswelt aufnehmen, so Brenke. Spanien zum Beispiel sei gerade erst dabei, sein System umzustellen und an Mitteleuropa anzupassen.
Ekkehard Ernst von der ILO glaubt ebenfalls nicht an einen nachhaltigen Erfolg: "In Österreich gibt es einen intensiven Austausch zwischen öffentlicher Hand und mittelständischen Unternehmen." Das gebe es in anderen Ländern in diesem Umfang nicht, meint Ernst im DW-Interview. "Das wird natürlich auch Auswirkungen darauf haben, wie effektiv diese Programme sind." Kurzfristig könne man mit Praktika einigen Jugendlichen helfen, wenn das wirtschaftliche Umfeld in den Ländern aber nicht stimme, dann gebe es keine langfristigen Lösungen.
Babyboomer ade, Jugend ahoi
Trotzdem setzt EU-Sozialkommissar Andor auch auf die Mithilfe der südeuropäischen Länder beim EU-Vorstoß. Als Anreiz führt er den Europäischen Sozialfonds ins Feld. Geld aus diesem Fonds könne genutzt werden, um die Programme in den einzelnen Staaten zu unterstützen, heißt es. Karl Brenke bleibt skeptisch: "Die EU will natürlich ihre Legitimation nachweisen und will irgendwelche Fonds öffnen, um mit Subventionen Gutes zu tun." Dabei wäre es besser, die Regierungen zu beraten und ihnen konkrete Schritte zu empfehlen, meint der Analyst des DIW.
ILO-Volkswirt Ernst betont aber noch einen anderen Aspekt: Man dürfe den Symbolcharakter der Aktion nicht unterschätzen. Immerhin zeige die EU, dass ihr das Problem der Jugendarbeitslosigkeit wichtig sei. Im bunten Werbevideo zur Initiative "Chancen für junge Menschen" heißt es abschließend: "Bis 2020 werden viele Babyboomer [Menschen, aus den geburtenstarken Jahrgängen nach dem 2. Weltkrieg bis Mitte der 1960er Jahre, Anm. d. Redaktion] in Rente gehen. Das heißt, dass viele freie Stellen bald besetzt werden können." Sich allein auf den demografischen Wandel zu verlassen, hält Analyst Karl Brenke allerdings für fatal, denn "die Probleme werden sich nicht von selbst lösen".