Joan Miró: Malerei als Poesie
Joan Mirós Gemälde kennt jeder: Sie wurden millionenfach reproduziert. Als Poster, Postkarten oder Kalender. Trotzdem gibt es noch unerforschte Kapitel in dem Schaffen des Katalanen: seine Liebe zur Literatur.
Leidenschaft für die Literatur
Wie ein Magier gibt Joan Miró mit seiner Malerei Rätsel auf. Der 1893 geborene Katalane ist als heiterer, fantasievoller Künstler bekannt. Miró hat mit seiner Malerei aber nicht nur Kunstgeschichte geschrieben, er hat sie auch mit der Poesie zusammengeführt. Welche Bildsprache in seinen Werken steckt, zeigt nun die Ausstellung "Miro. Malerei als Poesie" in Düsseldorf.
Miró und die Poesie
Mirós Enkel, Joan Punyet Miró, ist eigens von Mallorca, wo er die Miró-Stiftung leitet, nach Düsseldorf gereist, um die Ausstellung zu eröffnen. Sein Großvater habe, bevor er malte, immer zuerst ein Gedicht gelesen, "um seine Kreativität in Gang zu bringen", erzählt er.
Bücher im Bild
Es sei tabu gewesen, die Vorhänge seiner bis unter die Decke vollgestopften Bibliothek aufzuziehen, weil das Licht die Bücher beschädigt hätte. Von 1917 bis 1923 setzte Miró Bücher als Bildmotive ein. In dieses Gemälde hat er "Le Coq et l'Arlequin", ein Werk des Schriftstellers und Filmemachers Jean Cocteau, gemalt. Viele Surrealisten haben seinen Großvater persönlich gekannt, erzählt der Enkel.
Treffpunkt Rue Blomet
Von 1920 an verbrachte Miró neun Jahre in Paris. Dort lebte er in der legendären Rue Blomet, einem Epizentrum der Avantgarde: Sein Nachbar war der Maler André Masson. Weitere Surrealisten wie André Breton, Michel Leiris oder Alfred Jarry lernte er dort kennen – und er las ihre Werke. Manche Freundschaften hielten ewig. Mit Paul Éluard gestaltete er 1958 ein Künstlerbuch, das er illustrierte.
Einfluss der Surrealisten
Bis 1920 orientierte sich Miró an Paul Cézanne, den "Fauves" und dem Kubismus. Wie streng Miró seine Bilder komponierte, zeigt die Anordnung der Buchstaben. Er kopierte ganze Gedichtzeilen seiner Lieblingsautoren in seine Gemälde oder zitierte die Avantgarde-Zeitschrift "Nord-Sud". Allerdings entzog er sich dadurch auch dem Diktat der automatischen Schreibweise der Surrealisten.
Visionen im Schlaf
Joan Miró hat rund um die Uhr gemalt. Der Schlaf, erzählt Enkel Joan Punyet Miró, sei für ihn Teil des Arbeitsprozesses gewesen. Die Visionen, die er im Traum entwickelte, seien seine Inspirationsquelle gewesen. Aber er schuf nicht nur Gemälde und Skulpturen, er schrieb auch selber Gedichte, von denen Zeilen in seinen Werken auftauchen.
Freie Bildkompositionen
Nachdem er erst die realistische und dann die kubistische Phase überwunden hatte, entstanden moderne "Allover"-Kompositionen, das unhierarchische Nebeneinander von Farbflächen und stilisierten Gegenständen. Eine kompositorische Freiheit, die amerikanische Maler wie Mark Rothko und Jackson Pollock oder auch den katalanischen Landsmann Antoni Tapiès nachhaltig beeinflusst hat.
Sonnengesang
In seinem Spätwerk ändert sich Mirós Bildsprache. Kosmische Zeichen drücken seine Liebe zur Natur aus. Mond, Sterne und die Sonne tauchen immer wieder auf, ebenso Linien und Formen, die an japanische Schriftzeichen erinnern. Ab 1975 illustrierte er den "Sonnengesang", ein Gebet des Heiligen Franz von Assisi aus dem Jahr 1225. Für ihn wurde es zum Symbol der Verbundenheit von Mensch und Natur.
Widerstandsgeist
Joan Miró hat sich aber Zeit seines Lebens nicht nur dem Schöngeistigen verschrieben. Schon vor dem Franco-Regime von 1939 bis 1975 protestierte er gegen die Diktatur. 1937 schuf er gemeinsam mit Pablo Picasso, seinem großem Vorbild, Widerstandswerke. Palma de Mallorca, wo heute die Miró-Stiftung residiert, wurde zu seinem intellektuellen und politischen Rückzugsort.
Kunsthistorische Pionierleistung
Die Leidenschaft, die Joan Miró mit der Poesie verband, blieb lange unbemerkt. Seine Freundschaft mit Schriftstellern inspirierte ihn zu Bildgedichten. Wenn er keine Buchstaben verwendete, entwarf er sein eigenes rätselhaftes Vokabular: Sterne, Himmelsleitern, Augen, Schlangen. Dazu gehörte aber auch der Abdruck seiner Hände. Die Bilder sind vom 13.6. bis 27.09. in der Kunstsammlung NRW zu sehen.