Spahn dankt Taiwan für Maskenspende
27. April 2020Obwohl sie seit diesem Montag an in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens in Deutschland Pflicht sind, bleiben Schutzmasken in Deutschland Mangelware - für Privatpersonen und erst recht für medizinisches Personal. In Taiwan ist die Lage anders: Weil die Versorgung der Bevölkerung gesichert ist, kann der ostasiatische Inselstaat anderen Ländern Schutzausrüstung spenden. Auch Deutschland erhielt eine Million Masken, doch die Bundesregierung erntete für ihre verhaltene Reaktion Kritik, bis Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nun einen bemerkenswerten Brief schrieb.
Er wolle seinen herzlichen Dank "für die sehr enge und vertrauensvolle Kooperation" ausdrücken, schrieb Spahn vergangenen Donnerstag seinem taiwanischen Kollegen Chen Shih-chung. Die zwei Wochen zuvor in Frankfurt eingetroffene Maskenspende sei "sehr willkommen" gewesen und umgehend zu Fachkräften mit dringendem Bedarf weitergeleitet worden. Den Brief hatte das Deutsche Institut Taipei, die inoffizielle diplomatische Vertretung in Taiwan, veröffentlicht.
Kein normales Verhältnis zu Taiwan
Was wie eine selbstverständliche Dankesnote wirkt, hat besondere Bedeutung, weil die Bundesregierung zum demokratischen Taiwan ein recht kompliziertes Verhältnis pflegt. Obwohl Berlin eine wertebasierte Partnerschaft betont und gelegentlich gegenseitige Abkommen schließt, obwohl Taiwans Reisepass bis zur Pandemie-Sperre die visafreie Einreise erlaubte, gibt es keine offiziellen diplomatischen Beziehungen.
Auf Grundlage der deutschen Ein-China-Politik, welche die allermeisten Länder der Welt ebenfalls befolgen, gesteht Deutschland der Republik China, so Taiwans offizieller Staatsname, keine staatliche Souveränität zu. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußert sich nie öffentlich zu Taiwan, dessen höchste und demokratisch legitimierte Amtsträger dürfen nicht in die EU einreisen. Bundesaußenminister Heiko Maas gratulierte Präsidentin Tsai Ing-wen im Januar nicht zur Wiederwahl. Seit mehr als 20 Jahren hat kein amtierender Bundesminister mehr Taiwan besucht. Das alles soll Irritationen mit der Volksrepublik China vermeiden, die Taiwan als Teil ihres Staatsgebiets betrachtet.
Dass Spahn nun auf offiziellem Briefpapier eines Bundesministeriums seinen Kollegen Chen als Minister adressiert und den Begriff "Taiwan" unbefangen verwendet, wird in Taipeh und sicherlich auch in Peking aufmerksam registriert. Er habe sich über das Schreiben gefreut, sagte Taiwans Repräsentant in Berlin, Shieh Jhy-wey, der DW. Über viele Jahre habe Deutschland keine Briefe von Bundesministern an Taiwan öffentlich gemacht. Er habe Spahn seit dessen Amtsantritt einmal kurz getroffen, so Shieh, der sich offiziell nicht "Botschafter" nennen kann und von vielen Terminen im politischen Berlin ausgeschlossen bleibt. Dass man sich für ein Geschenk bedanke, sei normal.
Wenig Aufmerksamkeit für Taiwans Lieferung
Genau dieser Eindruck war zuvor aber nicht entstanden: Als Taiwans insgesamt eine Million Schutzmasken für Deutschland am Gründonnerstag am Frankfurter Flughafen landeten, warteten dort nur einige Bundes- und Landtagsabgeordnete. Als zwei Tage zuvor eine in China gekaufte Lieferung München erreicht hatte, schlenderten Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer dort medienwirksam übers Rollfeld.
Eine wenige Tage später geplante Übergabezeremonie der Lieferung aus Taiwan mit Abgeordneten wurde kurzfristig abgesagt. Die Begründung: Aus Sicherheitsgründen dürften nur wenige Personen aufs Gelände einer Spedition in Thüringen. "Das kam mir ein bisschen komisch vor", so Shieh zur DW. "Kurz zuvor war noch alles in Ordnung." Er schließe aber aus, dass - wie spekuliert wurde - das Auswärtige Amt oder die Bundesregierung hinter der Absage steckten.
Verunglückte Aussagen der Regierungssprecher
Für großes Medienecho und Empörung bei vielen Taiwanern sorgte vor allen die Regierungspressekonferenz vom 15. April. Von Journalisten gefragt, ob die Bundesregierung sich für die Hilfslieferung bedanken wolle, vermied Regierungssprecher Steffen Seibert das Wort "Taiwan" gänzlich und sagte nur allgemein, Deutschland sei dankbar "für Hilfe, die uns aus anderen Ländern erreicht." Auch Maria Adebahr, der Sprecherin des Auswärtigen Amts, war das Thema Taiwan und seiner Mitwirkung in der WHO sichtlich unangenehm.
Das Herumgedruchse erinnerte an die peinliche Vorstellung von Bruce Aylward, Berater des WHO-Generaldirektors, Ende März. Im Interview mit einem Sender aus Hongkong hatte der Kanadier, auf Taiwan angesprochen, zunächst die Frage ignoriert, dann das Videotelefonat beendet und schließlich in einem zweiten Anlauf nur gesagt: "Über China haben wir ja schon geredet."
Viele Taiwaner fanden allerdings auch, bei der Maskenspende gehe es ums Helfen, ein besonderer Dank sei nicht notwendig. Dem schloss sich auch Präsidentin Tsai an, die sagte: "Wir tun einfach das Richtige, wenn wir unseren Beitrag für die internationale Gemeinschaft leisten."
Anerkennung für Taiwans Kampf gegen Conoravirus
Für Repräsentant Shieh war eine Passage in Spahns Schreiben besonders bemerkenswert: "Die Erfahrungen, die Sie in Taiwan bei der Bekämpfung der Pandemie gewonnen haben", seien für Deutschland "von großem Nutzen", so der Bundesgesundheitsminister. Tatsächlich kann Taiwan auch ohne Hilfe durch die WHO als Musterbeispiel für eine gelungene Eindämmung des Coronavirus gelten. Bei mehr als 23 Millionen Einwohnern verzeichnete das Land erst 429 Infektionen und sechs Todesfälle. (Quelle: Johns Hopkins University)
Erreicht hat Taiwan dies durch besonders frühzeitige und konsequente Maßnahmen, darunter eine verpflichtende 14-tägige Heimquarantäne für sämtliche Einreisenden aus Risikogebieten und für Kontaktpersonen von Infizierten. Außerdem steigerten Regierung und Industrie in einer gemeinsamen Kraftanstrengung die tägliche Maskenproduktion von drei auf 15 Millionen Stück - genug, um anderen Ländern zu helfen.