Jemen: Keine Wende nach Salehs Tod
5. Dezember 2017Mit dem Höllenlärm von Kampfjets begann für die Menschen in Sanaa Tag eins nach dem Tod von Ex-Präsident Ali Abdullah Saleh. 25 Luftangriffe der saudischen Militärallianz bis in die Morgenstunden - fast schon Normalität für die Bewohner der Hauptstadt des Jemen, die seit 2015 unter Beschuss aus der Luft steht.
Damals hatte sich Saudi-Arabien auf die Seite des gestürzten jemenitischen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi und der mit ihm verbündeten sunnitischen Stammesmilizen geschlagen. In einer internationalen Militärallianz kämpfen sie gegen schiitische Huthi-Milizen, die mutmaßlich vom Iran unterstützt werden. Mit den Huthi im Bunde standen zudem die Truppen des ehemaligen Langzeitherrschers des Landes, Ali Abdullah Saleh. Nachdem er sich auf die Seite Riads geschlagen hatte, wurde Saleh am Montag von Huthi-Kämpfern getötet.
Alle zehn Minuten stirbt ein Kind
Ein verworrener Konflikt also, der mit dem Tod Salehs eine neue Wendung erfährt. Ganz einfach zu verstehen ist dagegen das Leid der Zivilbevölkerung im Land. "In manchen Stadtvierteln können die Menschen nicht einmal ihre Häuser verlassen, überall hört man die Kampfflugzeuge", sagt DW-Redakteur Abdo Al-Mikhlafy. Er stammt aus dem Jemen, seine Frau hält sich in Sanaa auf. "Man kommt im Moment nicht weg von dort", so Al-Mikhlafy.
Zwei von drei Jemeniten sind mittlerweile auf Hilfe von außen angewiesen, um zu überleben. Die Vereinten Nationen sprechen von der derzeit schlimmsten humanitären Krise weltweit; alle zehn Minuten stirbt ein Kind an Hunger oder vermeidbaren Krankheiten. Die von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition blockiert jedoch Luft- und Seewege ins Land, so dass nur wenig Lebensmittel und Medikamente ankommen.
Sturm auf Sanaa?
Zumindest seien nach dem Tod Salehs die schweren Kämpfe zwischen seinen Anhängern und Huthis nun abgeflaut, sagt Jemen-Expertin Marie-Christine Heinze, Vorstandsvorsitzende des Bonner Orient-Instituts CARPO. "Aber langfristig gesehen wird das auf gar keinen Fall zu einer friedlicheren Lage im Jemen führen, sondern vermutlich eher zu weiteren Konflikten, zu mehr Chaos", so Heinze, "denn die Fronten sind nicht mehr so leicht zu überblicken wie bisher."
Alle Kriegsparteien müssten sich nun neu sortieren. Zunächst hätten sich zwar die Huthis durchgesetzt, so Heinze. Es sei aber möglich, dass einzelne Stämme, die in der Vergangenheit zu Saleh hielten, nun ebenfalls auf die Seite der saudischen Koalition wechselten. Zudem könnte Salehs Sohn Ahmed Ali in den Jemen zurückkehren, um dort die Truppen seines Vaters anzuführen. Mit Unterstützung der saudischen Militärallianz könnten sie versuchen, den Huthi-Kämpfern die Kontrolle über Sanaa zu entreißen.
UN fordern Feuerpause
"Saudi-Arabien und die Emirate wollen die Huthis unbedingt schlagen", sagt DW-Redakteur Al-Mikhlafy. "Doch das wird dauern, weil die Huthis immer noch über genug Kräfte und Waffen verfügen, um lange weiter zu kämpfen." Wenn die arabische Allianz keine Bodentruppen ins Land schicke, dann werde der Konflikt noch über Jahre anhalten.
Und eine friedliche Lösung? Die sei auch nach dem Tod Salehs überhaupt nicht absehbar, meint Al-Mikhlafy. Erneut hat UN-Nothilfekoordinator Jamie McGoldrick am Dienstag alle Kriegsparteien dazu aufgerufen, das Schießen und Bombardieren zumindest eine Weile lang einzustellen, damit Verletzte in Krankenhäuser gebracht werden können. Doch auch heute Nacht dürften wieder Schüsse durch die Straßen von Sanaa peitschen, dürfte der Lärm von Kampfflugzeugen über der Stadt liegen.