Jedermann-Konto - auch für Flüchtlinge
28. März 2016Mit lateinischen Buchstaben zu unterschreiben, fällt Kahtan und Payman Aman Haji noch schwer. Als Jesiden wurde die Eheleute im Irak verfolgt und flüchteten vor drei Monaten nach Deutschland. Heute sitzen sie bei der Sparkasse Bielefeld und eröffnen ein eigenes Konto. Die Ausländerbehörde hat sie hergeschickt. Kahtan Aman Haji findet es gut, Geld von der Behörde künftig überwiesen zu bekommen und dort nicht mehr Schlange stehen zu müssen. Außerdem könne ihm sein Geld so nicht mehr geklaut werden.
In Deutschland ein Konto zu eröffnen, heißt einen rechtlich bindenden Vertrag abzuschließen. Ohne Deutsch-Kenntnisse ist das aber schwierig. Kahtan und Payman Aman Haji haben einen Bekannten zum Dolmetschen mitgebracht. Das helfe ungemein, findet Sparkassenmitarbeiterin Kira Pottmann. Ansonsten müsse man sich "mit Händen und Füßen" verständigen, auf Google-Übersetzer zurückgreifen, oder irgendwen anrufen, der dann am Telefon übersetzt. "Irgendwie kriegen wir es immer hin", sagt sie aus Erfahrung, aber mit einem Übersetzer sei das natürlich einfacher.
Der Bundesrat hat EU-Vorgaben umgesetzt
Abgesehen von den sprachlichen Hürden birgt die Konto-Eröffnung für Flüchtlinge noch andere Herausforderungen: Viele Geflüchtete haben keine Ausweise, um sich zu identifizieren. Sie haben sie auf der Flucht verloren, manche mit Absicht. Die bloße Registrierung bei der Ausländerbehörde bzw. Asylantragsstelle reichte bisher nicht aus, denn sie beruhte allein auf den Angaben des Flüchtlings, ohne behördlichen Abgleich. Bisher konnten Banken Flüchtlinge ohne amtliche Papiere deshalb ablehnen. Als Gründe führen sie die Angst vor Geldwäsche und Terrorfinanzierung an.
Eine neue EU-Richtlinie aber schreibt nun vor, dass künftig alle Banken jedem ein Konto einrichten müssen. In Deutschland hat nun auch der Bundesrat das Gesetz gebilligt. Deutsche Banken dürfen die Kontoeröffnung künftig nur noch in Ausnahmefällen verweigern - beispielsweise bei Straftaten wie Geldwäsche. Außerdem wurden die Vorschriften für Menschen ohne staatlich anerkannte Ausweispapiere gelockert. Seit Januar reicht nun für die Kontoeröffnung die Bestätigung einer Ausländerbehörde.
Das Leben wird leichter und sicherer
Die deutschen Sparkassen sind dabei Vorreiter. Die Sparkasse Bielefeld zum Beispiel arbeitet als Tochter der Stadt Bielefeld eng mit der Sozialbehörde zusammen und hat nach einer unbürokratischen Lösung gesucht. Ein Konto mache das Leben schließlich für alle Beteiligten leichter, ist Ingo Nürnberger, Sozialdezernent Stadt Bielefeld, sicher. Man müsse nicht mit Bar-Schecks hantieren, sondern könne das Geld, auf das die Leute Anspruch haben, einfach überweisen, so wie bei allen anderen Leistungsempfängern auch.
Wenn die Flüchtlinge in Bielefeld ankommen, erfasst die Behörde ihre persönlichen Daten so weit das möglich ist, und übermittelt diese nun direkt an die Sparkasse. Trotzdem müsse man, weil die Legitimation nicht so genau sei wie bei anderen Kunden, schon "etwas genauer und auch dauerhafter hinschauen", so Christoph Kaleschke, Sprecher der Sparkasse Bielefeld.
Die Sparkasse Bielefeld rechnet demnächst wieder mit einer Welle von neuen Anträgen und hat ein stillgelegtes früheres Filialgebäude als "Geschäftsstelle für Flüchtlinge" reaktiviert. Hier werden jetzt täglich sogenannte "Basis-Konten" eröffnet. Das sind Privatgirokonten auf Guthabenbasis, die nicht überzogen werden können.
Die Kontoführungsgebühren entsprechen denen eines normalen Girokontos. Die spätere Umwandlung eines Basiskontos in ein normales Girokonto sei grundsätzlich möglich, bekräftigt Sandra Peterjohann, Service-Leiterin bei der Sparkasse Bielefeld: Viele Flüchtlinge hätten sicherlich statt der Ersatzdokumente irgendwann auch richtige Ausweispapiere, und dann bestehe natürlich die Möglichkeit, diese "in die ganz normalen Kundengruppen zu integrieren, so dass sie dann auch das ganz normale Girokonto bekommen."
Das Ehepaar Aman Haji jedenfalls hat fürs erste ein Guthaben-Konto. Damit werden sie im deutschen Alltag schon recht weit kommen. Sie können damit alle wichtigen Geschäfte abschließen, vom Handy- bis zum Mietvertrag.