Jeder zweite Abzuschiebende taucht unter
15. Juli 2018Abschiebungen aus Deutschland scheitern in Deutschland offenbar häufig schlicht daran, dass die abzuschiebende Person zum geplanten Termin nicht an ihrem Meldeort angetroffen wird oder bereits dauerhaft untergetaucht ist. Dies sei bei etwa der Hälfte der angekündigten Rückführungen von Flüchtlingen der Fall, berichtet die Zeitung "Welt am Sonntag" unter Berufung auf eine interne Auswertung der Bundespolizei.
Bis Ende Mai wurden demnach von rund 23.900 angekündigten Rückführungen nur rund 11.100 vollzogen. Rund 12.800 Abschiebungen mißlangen somit.
Aktiver oder passiver Widerstand
In den übrigen rund 1300 gescheiterten Abschiebeversuchen musste die Maßnahme während der Rückführung aus verschiedenen Gründen abgebrochen werden, wie das Blatt weiter erläutert. Dabei lehnte laut den vorliegenden Unterlagen in rund 150 Fällen der Pilot die Mitnahme des Ausreisepflichtigen ab. In mehr als 500 Fällen sei sie aufgrund aktiven oder passiven Widerstands abgebrochen worden - eine Steigerung um mehr als 200 Prozent im Vergleich zu 2017.
Die meisten der durch Widerstandshandlungen abgebrochenen Rückführungen betrafen laut Bundespolizei Menschen aus Nigeria und Guinea (jeweils über 60), Somalia (über 50), Syrien (über 40), Sierra Leone, Gambia, Marokko, Irak und Eritrea (jeweils über 30).
Mehr angekündigte, weniger erfolgreiche Rückführungen
Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl der erfolgreichen Abschiebungen laut "Welt am Sonntag" merklich. So gab es mit rund 23.900 angekündigten Rückführungen zwar 17 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Doch mit nur rund 11.100 wurden am Ende vier Prozent weniger Abschiebungen auch tatsächlich vollzogen.
Der Vorsitzende der Bundespolizeigewerkschaft, Ernst Walter, sagte der Zeitung: "Es verursacht der Bundespolizei einen enormen Aufwand, dass jeder zweite angekündigte Abzuschiebende von den zuständigen Landes- und Kommunalbehörden ihr letztlich nicht zugeführt wird." Das Abtauchen lasse sich nur durch eine "viel stärkere Nutzung der Abschiebungshaft" verhindern.
Heil spricht Schicksal integrierter Flüchtlinge an
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil kritisierte derweil in einem Interview die Bundesländer wegen offenbar zunehmender Abschiebungen gut integrierter Flüchtlinge. "Tatsächlich habe ich manchmal das Gefühl, dass die falschen Menschen Deutschland verlassen müssen", sagte der SPD-Politiker der "Augsburger Allgemeinen". Er warnte vor negativen Folgen für die Integrationsbemühungen der Gesellschaft und insbesondere der Unternehmen, die Flüchtlinge einstellen.
CSU und Bayern am Pranger
Heil erinnerte an den Beschluss aus der vergangenen Legislaturperiode, wonach junge Flüchtlinge in Ausbildung "diese abschließen können und danach die Chance haben, zwei Jahre in Deutschland zu bleiben". Diese sogenannte Drei-plus-zwei-Regel werde jedoch in den Bundesländern unterschiedlich gehandhabt. "Besonders schlecht" laufe das im CSU-geführten Bayern, kritisierte er. "Das ist ein Ärgernis für alle Unternehmen, die sich engagieren und investieren."
Der Arbeitsminister räumte zugleich anhaltende Defizite bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt ein. 220.000 Flüchtlinge hätten zwar inzwischen eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufgenommen, "doch die Zahlen sind natürlich noch zu niedrig", sagte er. "Es würde sehr helfen, wenn der Aufenthaltsstatus von Flüchtlingen schneller und sicherer geklärt werden könnte."
SC/qu (afp, KNA, Welt-online)