Museum Tinguely auf Reisen
17. Juli 2021"Museum Tinguely Ahoy" – ein fröhlicher Ausruf ist es, mit dem das Baseler Tinguely Museum in diesem Sommer sein 25. Jubiläum feiert. Dafür wurde ein umgebautes Frachtschiff mit Arbeiten des Schweizer Malers und Bildhauers bestückt. Die "MS Evolutie" soll ihre Ladung Kunst zu den Menschen bringen – drei Monate lang. Auf ihrer Route klappert sie die wichtigen Wirkungsstätten des Schweizer Kinetikers (1925-1991) ab - von Paris über Antwerpen und Amsterdam durch das Ruhrgebiet rheinaufwärts bis nach Basel.
Ein schwimmendes Museum auf 100 Quadratmetern: In ihrem Schiffsbauch beherbergt die "MS Evolutie" eine Ausstellung mit Nachbauten kleinerer Arbeiten von Jean Tinguely, darunter Skizzen und Videos. Sie zeigen, wie der Meister der kinetischen Skulptur aus Schrott seine fröhliche, augenzwinkernde, konsumkritische Kunst machte. Auch Biografisches ist zu sehen. Und weithin sichtbar thront eine große, rotierende wasserspeiende Skulptur auf dem Schiffsdeck, die "Schwimmwasserplastik" Tinguelys von 1980.
Kunst in Bewegung
"Tinguely ging selber mit seiner Kunst auf die Straße, unser Museum liegt direkt an der Wasserstraße Rhein", sagt Roland Wetzel, Direktor des Tinguely Museums. Ein Schiff habe die Möglichkeit geboten, ein kleines Museum zu transportieren, mit einer Ausstellung und einem Vermittlungsprogramm. "Deshalb", so Wetzel im Sender SWR, "lag die Idee nahe."
Schon Paris, der Startpunkt der nautischen Kunstreise, stellte einst die Weichen für die Karriere Jean Tinguelys. Als sich der damals 28-jährige gelernte Schaufensterdekorateur 1953 in das Zentrum der europäischen Nachkriegskunst aufmachte, knüpfte er Kontakte zu Künstlern, Galeristen und Ausstellungsmachern. Entscheidende Begegnungen fanden statt - mit seinem Künstlerfreund Yves Klein etwa, mit dem gut vernetzten Kurator Pontus Hultén, der sich fortan für Tinguelys bewegte Objekte einsetzte. Nirgendwo sonst zählte Tinguely so viele Einzel- und Gruppenausstellungen wie in Paris. Auch die Künstlerin Niki de Saint Phalle lernte er hier kennen, bevor er sie 1971 in zweiter Ehe heiratete.
In Antwerpen nahm Tinguely Ende der 1950-er Jahre an wichtigen Ausstellungen teil, darunter der Avantgarde-Schau "Vision in Motion - Motion in Vision" im Hessenhuis. In Amsterdamer Stedelijk Museum fand der Schweizer Künstler jahrzehntelang offene Türen, zuletzt mit der großen Retrospektive "Machine Spectacle" 2016/2017. In Duisburg bekam Tinguely 1976 den Wilhelm-Lehmbruck-Preis verliehen. Düsseldorf sah 1959 die erste Einzelausstellung Tinguelys in Deutschland, in der Galerie Schmela. Im schweizerischen Basel schließlich, der Stadt seiner Kindheit, würdigt das Museum Tinguely seit 25 Jahren das Schaffen des Künstlers.
Tinguelys Düsseldorfer Manifest
In Fribourg unweit von Basel war Jean Charles Tinguely am 22. Mai 1925 als einziges Kind einer Magd und eines Lagerarbeiters zur Welt gekommen. Im Laufe seines kurzen Lebens - Tinguely starb bereits mit 66 Jahren - wurde er zum Schöpfer unzähliger, phantasievoller Schrottmaschinen.
Seine Kunst war radikal, gelegentlich subversiv, jedoch immer in Bewegung. "Es bewegt sich alles. Stillstand gibt es nicht", forderte er 1959 in seinem Düsseldorfer Manifest, "lasst es sein, Kathedralen und Pyramiden zu bauen, die zerbröckeln wie Zuckerwerk! Atmet tief, lebt im Jetzt, lebt auf und in der Zeit. Für eine schöne und absolute Wirklichkeit!"
Nicht nur Tinguelys anarchische Spielfreude begeistert bis heute: ″Seine Bedeutung liegt darin, dass er die Kunst mit dem Leben verband", sagt Museumschef Wetzel. Tinguely habe sich wesentliche Themen unserer Existenz vorgenommen - etwa das Verhältnis von Mensch und Maschine, oder seine Kritik am überbordenden Konsum. Das schwimmende Tinguely-Museum beginnt am 17. Juli seine dreimonatige Jubiläumstour und damit der vielleicht fröhlichste Kunsttransport des Sommers.