Jean Paul Gaultier: Das Modewunderkind mit 70
Im Jahr 2020 ging eine Ära zu Ende: Der französische Modedesigner Jean Paul Gaultier verabschiedete sich mit einer letzten Schau in Paris. Nun istdas einstige "Enfant terrible" 70 Jahre alt.
Krönender Abschluss: Eine Parade der Haute Couture
Das Model Winnie Harlow (Foto), die Burlesque-Tänzerin Dita von Teese und die spanische Schauspielerin Rossy de Palma: Das sind nur drei der 200 Models, die Jean Paul Gaultier in einer letzten fulminanten Haute-Couture-Schau 2020 über den Catwalk schickte. Ein Glück, dass sie noch kurz vor dem ersten Lockdown im Pariser Théâtre du Châtelet vor Publikum stattfinden konnte.
Modische Parodien auf französische Klassiker
Der Designer gilt als Humorist der großen Inszenierung. Doch er kreierte nicht nur Mode für den Laufsteg. Er entwarf auch Filmkostüme, vorzugsweise für den spanischen Regisseur Pedro Almodóvar. "Es gibt ein Leben - was sage ich: viele Leben - nach der Mode", so Gaultier zum Abschied vor zwei Jahren im Théâtre Châtelet. Und er hatte bereits eine konkrete Idee.
Schnelle Karriere
Das Modehaus Gaultier blieb bestehen und lädt nun junge Designer zur Interpretation bekannter Stücke ein. Gaultier selbst hatte keine Ausbildung als Modezeichner, sondern schickte zunächst Skizzen von ausgedachten Modellen an berühmte Pariser Modeschöpfer. 1970 engagierte ihn Pierre Cardin als Assistent - Startpunkt einer steilen Karriere. Sechs Jahre später folgte seine erste Kollektion.
Ein Spiel mit Licht und Makeup
Für das Modewunderkind Gaultier ist das Entwerfen immer ein Spiel mit Farben und Material. Als Kind hatte er oft Tage im Schönheitssalon seiner Großmutter verbracht und gesehen, was eine Frau mit Make-up aus sich machen kann. Er arbeitete aber nicht nur mit abgemagerten Models, sondern ließ auch ältere und übergewichtige Mädchen mit Piercings seine Mode präsentieren.
Spielerische Provokationen
Selbst unter den extrovertierten Modemachern gilt Jean Paul Gaultier als Paradiesvogel. Mehr als 50 Jahre lang sog er Einflüsse aus der Kunst, der Musikszene und der Alltagskultur begierig auf und verwandelte sie in kreative Entwürfe. Von 1997 an widmete sich Gaultier auch der Haute Couture. Sein Rückzug 2020 kam für viele überraschend.
Madonna, Beyoncé und Co
Gaultier schneiderte auch Weltstars wie Madonna, Kylie Minogue, Beyoncé und Johnny Hallyday Bühnenkostüme quasi auf den Leib. Madonnas knallenge Corsage, die sie bei ihrer Konzerttournee 1990 trug, machte damals in der Welt der Popmusik Furore. Auch zum Film hatte Jean Paul Gaultier eine enge künstlerische Beziehung. 2012 war er sogar in der Jury der Filmfestspiele in Cannes.
Streifen als Markenzeichen
Jeder große Modeschöpfer hat sein Branding: Bei Jean Paul Gautier waren es Streifen. Geringelte T-Shirts im Marinestil, wie sie hier das Künstlerpärchen Pierre und Gilles trägt, sind sein persönliches Markenzeichen. Inspirieren ließ Gaultier sich dazu von Fassbinders Kinostreifen "Querelle", dem Kultfilm der Schwulenszene. Auch Matrosenuniformen gehören zu seinen Kollektionen.
Outfits für provokante Frauen
Schnell machte er sich einen Namen als "Enfant terrible". Seine gewagten Entwürfe waren zum Teil wegbereitend - die radikale Befreiung einer provokanten Weiblichkeit. Bei den Pariser Haute-Couture-Schauen im Februar 2006 schickte er Burlesque-Model Dita von Teese über den Laufsteg. Auch danach sah man sie noch öfter für ihn laufen, zuletzt bei der Abschiedsgala 2020.
Arbeit am Geschlechterbild
"In der Mode geht es um Sehnsüchte", sagte Gaultier mit 67 Jahren - er verstand es, meisterhaft damit zu spielen: Seine Entwürfe gelten nur bedingt als alltagstauglich, sind aber ohne Zweifel äußerst phantasievoll. Gaultier war der Erste, der androgyne Models auf den Laufsteg schickte und Männern tiefe Ausschnitte und Röcke verpasste. Wir gratulieren dem französischen Modestar zum 70. Geburtstag!