Berlin und Tokio vor neuen Herausforderungen
14. November 2016Fünf Tage lang reist Bundespräsident Gauck durch Japan. Der politische Höhepunkt der Reise findet gleich nach der Ankunft im regnerischen Tokio statt: eine Begegnung mit dem erzkonservativen Premier des Landes, dem LDP-Politiker Shinzo Abe.
Wie weiter nach Trump?
Seit der vergangenen Woche gibt es in beiden Ländern eigentlich nur ein bestimmendes Thema: Wie geht es weiter mit einem amerikanischen Präsidenten Donald Trump, der offenbar nicht nur die Innenpolitik, sondern eben auch die Außen- und Sicherheitspolitik seines Landes vollkommen umkrempeln will?
Die engen Partner Japan und Deutschland beobachten die Entwicklung mit Sorge und wollen sich gegenseitig stützen. In der gemeinsamen Pressekonferenz mit Premier Abe in Tokio verkündet Gauck, "mehr Verantwortung" übernehmen zu wollen, zum Beispiel im Rahmen der Vereinten Nationen. Dafür stünden beide Länder, die enge Wertepartner seien - Japan im asiatisch-pazifischen Raum, Deutschland in Europa.
Gauck spricht die Probleme und Sorgen Japans offen an: die Bedrohung durch die Nuklearmacht Nordkorea und der andauernde Territorialstreit im Ostchinesischen Meer - vor allem mit der hochgerüsteten Volksrepublik China. Ministerpräsident Abe sagt dazu, eine Änderung des Status Quo sei nicht akzeptabel. Und das, obwohl Trump zuvor damit gedroht hatte, für amerikanische Sicherheitsgarantien müsse Tokio demnächst zahlen.
Schon am Donnerstag trifft Abe mit Trump zusammen
Die Koalitionsregierung von Abe treibt schon seit einiger Zeit eine Verfassungsreform voran. Sie hat bereits den Pazifismus-Paragraphen in der japanischen Verfassung neu interpretieren lassen, könnte ihn in dieser Frage vollkommen revidieren. Angesichts der Bedrohungslage hegt Bundespräsident Gauck offenbar durchaus Sympathien für Abes Konzept einer allmählichen Aufweichung der pazifistischen Verfassung Japans.
In einem Interview mit der renommierten Tageszeitung "Yomiuri Shimbun" erklärte Gauck: "Mir scheint es, dass sich in unseren beiden Ländern die Einsicht durchsetzt, dass ein noch aktiveres internationales Engagement eingebettet in internationale Institutionen in unserem jeweiligen Interesse ist. Sehr viele unserer internationalen Partner ermutigen uns, ja fordern von uns, 'leadership' zu übernehmen."
Zu Steinmeier kein Wort von Gauck
Zur politischen Meldung des Tages, dass Außenminister Steinmeier nun Koalitions-Konsens-Kandidat für eine mögliche Nachfolge des scheidenden Joachim Gauck im Präsidentenamt ist, wollte der sich an diesem Tag jedenfalls kein Wort entlocken lassen. Aber man kann davon ausgehen, dass es ihm zumindest gefällt, dass das unwürdige Gezerre um einen gemeinsamen Kandidaten nun endlich beendet ist.