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Politik

Japan: Einsatz für Transgender

Daniel Heinrich
21. März 2019

Wie lange noch? Um in Japan rechtlich anerkannt zu werden, müssen sich Transgender-Personen sterilisieren lassen. "Human Rights Watch" schlägt Alarm. Die Gesetze müssten dringend geändert werden.

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Japan, Rainbow Pride 2018 Tokyo
Mehr als 7000 Menschen nahmen an der LGBT Parade im Mai vergangenen Jahres in Tokyo teilBild: picture-alliance /A. Di Ciommo

Die Rechtslage ist eindeutig: Sollen Transgender-Personen, also Menschen deren Geschlechtsidentität von dem Geschlecht abweicht mit dem sie geboren wurden, sterilisiert werden bevor sie rechtlich anerkannt werden können? Zu Beginn des Jahres beantwortete das Japanische Verfassungsgericht diese Frage mit einem klaren Ja. Das Gericht wies damit die Klage von Takakito Usui zurück.

Takakito Usui, der als Frau geboren wurde, sich aber seit seiner Geburt als Mann fühlt, strebt auch die rechtliche Anerkennung als Mann an. Dies ist in Japan zwar theoretisch möglich, allerdings nur unter strengen Auflagen. Usui hätte sich beispielsweise unter anderem seine Eierstöcke und die Gebärmutter entfernen lassen müssen. Der 43-Jährige fühlte sich in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt, empfand die Regelung zudem als verfassungswidrig. Die Richter widersprachen seiner Auffassung.

Japan, Takakito Usui
Takakito Usui kämpft dafür, in seiner Heimat Japan als Transgender anerkannt zu werdenBild: picture-alliance/dpa

Der Direktor von Human Rights Watch (HRW) in Japan, Kanae Doi, ist über das Urteil entsetzt: "Japan sollte die Rechte von Transgender-Personen respektieren und endlich damit aufhören, dass sich Menschen qualvollen Behandlungen unterziehen müssen, um vor dem Gesetz offiziell anerkannt zu werden." Das Gesetz betrachte "Geschlechtsidentität als Geisteskrankheit". Doi: "Dieses Gesetz gehört umgehend überarbeitet". 

Verstoß gegen Menschenrechte

Die Menschenrechtsorganisation ist mit ihrem Protest nicht alleine. Eine ganze Reihe internationaler Institutionen hatte in den vergangenen Jahren die japanische Gesetzgebung kritisiert. Schon 2013 nahm der damalige UN-Sonderberichterstatter über Folter, der Argentinier Juan Ernesto Méndez, Japan in den Blick. Transgender-Personen müssten sich in Japan "oftmals gegen ihren Willen Sterilisationen unterziehen". Die Tatsache, dass ein solcher Eingriff eine Vorbedingung einer rechtlichen Anerkennung sei, sei "ein klarer Verstoß gegen universell gültige Menschenrechte". Die Regierungen müssten die Regelungen ohne Wenn und Aber verbieten.

Der Umgang mit Transgender-Personen hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) strich das Thema "Geschlechtsidentität" erst kürzlich aus dem Bereich der "Geisteskrankheiten". Die "American Psychological Association" hatte dies bereits im Jahr 2012 getan.

Fünf Jahre später, im Jahr 2017, hatte auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte alle 47 Länder in dessen Jurisdiktion dazu aufgerufen, Sterilisationsgesetze dieser Art zu ändern. Der Aufruf zeigte Wirkung: Norwegen, Frankreich und Schweden haben ähnliche Sterilisationsgesetze inzwischen abgeschafft.

Pakistan Transgender Männer Demonstration
Weltweit, wie hier in Pakistan Ende 2013, demonstrieren Menschen für TransgenderrechteBild: Getty Images/AFP/A. Hassan

Hoffnung auch in Japan?

Angesichts dieser Veränderungen und des wachsenden Drucks scheint sich auch in Japan langsam ein Umdenken abzuzeichnen. Allerdings erst auf den zweiten Blick. So hatten zwei der vier Richter, die Takakito Usuis Klage ablehnten, anerkannt, dass die betreffenden Gesetze geändert werden müssten. "Dem Leiden, dem sich Transgender-Personen ausgesetzt sehen, muss sich auch die Gesellschaft als Ganzes entgegenstellen. In einer Gesellschaft, in der Diversität gelebt wird, muss das Thema sein."

Human-Rights-Direktor Kanae Doi deutet dies als politischen Handlungsauftrag: "Das Verfassungsgericht hat seine Bedenken über die rechtliche Situation von Transgender-Personen zum Ausdruck gebracht. Nun muss die Regierung ihre Gesetzgebung überprüfen und internationalen Menschenrechtsstandards und medizinischen Standards gerecht werden."

Die Chancen, dass dies in die Tat umgesetzt wird, stehen nicht schlecht. Erst im vergangenen Jahr hatte die Regierung der Metropolregion Tokyo, der Gastgeber der Olympischen Spiele im Jahr 2020, ein Gesetz verabschiedet, nach dem "Bürger nicht aufgrund Geschlechtsidentität oder sexueller Orientierung benachteiligt werden dürften." Parallel dazu stimmte Japan bei den Vereinten Nationen in gleich zwei Resolutionen für die Beendigung und Diskriminierung auf Grundlage sexueller Orientierung und Geschlechteridentität.