Jahresrückblick 2006
Türkei-Debatte, Fall Litwinenko und Tod Pinochets: Bilder des Jahres 2006
Chile: Neue Präsidentin Bachelet
Die 54-jährige Michelle Bachelet gewinnt am 15. Januar die Stichwahl für das Präsidentenamt in Chile. Sie wird die erste Präsidentin eines südamerikanischen Staates. Bachelets Mitte-Links-Bündnis "Übereinkunft für die Demokratie" regiert im Andenland seit Ende der Diktatur von General Augusto Pinochet.
Verschleppt
Rene Bräunlich und Thomas Nitzschke gingen in den Irak, um dort beim Aufbau einer Stickstoffanlage mitzuhelfen. Am 31. Januar strahlt der arabische Sender Al-Dschasira ein Video mit den beiden Entführten aus. Über drei Monate verbringen sie in der Gewalt ihrer Entführer, bevor sie Anfang Mai freikommen.
Hamas siegt bei Palästinenser-Wahlen
Bei den Wahlen in den Palästinenser-Gebieten Ende Januar setzt sich die radikal-islamische Hamas gegen die Fatah-Bewegung von Ministerpräsident Abbas durch. Sie erreicht mit 76 von 132 Sitzen deutlich die absolute Mehrheit im Parlament. Die internationale Gemeinschaft verweigert der Hamas-Regierung von Ministerpräsident Hanija ihre Unterstüzung. Zwar beginnen Anfang Februar erste Gespräche über die Regierungsbildung zwischen Hamas und Fatah. Eine Regierung kommt bis Ende 2006 aber nicht zu Stande.
Der Karikaturenstreit
Am 30. September 2005 veröffentlicht die dänische Zeitung "Jyllands-Posten" zwölf satirische Karikaturen des Propheten Mohammed. Sie zeigen den Propheten unter anderem mit Bombe im Turban und mit Teufelshörnern. Daraufhin kommt es vor allem in muslimischen Ländern zu monatelangen, teilweise gewaltsamenen Protesten, wie hier am 10. Februar in der Nähe von Neu Delhi.
Milosevic ist tot
Am 11. März stirbt Slobodan Milosevic in seiner Zelle im Gefängnis des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag. Er begann den Krieg auf dem Balkan, kämpfte gegen die UCK und die Albaner im Kosovo, und wurde zuletzt in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt.
Atomstreit mit Iran
Der Iran will Atomenergie nutzen – angeblich nur zivil. Seit 2005 schwelt der Konflikt um Irans Atomprogramm. uahc im 2006 beherrscht das Thema die Nachrichten. Bislang hat der Iran weder eingelenkt, noch hat sich die UN zu Sanktionen durchgerungen.
Ära Berlusconi endet
In Italien gewinnt die Mitte-Links-Allianz Romano Prodis die Parlamentswahlen am 9./10. April. Der frühere Präsident der EU-Kommission löst Silvio Berlusconi als Ministerpräsidenten ab.
20 Jahre nach Tschernobyl
Am 26. März 1986 ereignet sich in Tschernobyl der folgenschwerste Unfall in der Geschichte der zivilen Atomnutzung. Auch wenn das wahre Ausmaß der Schäden bis heute unklar und teilweise heftig umstritten ist: Der Super-GAU von Tschernobyl ist auch 20 Jahre danach noch das Symbol für die Gefahren der Kernenergie.
Blinder Hass
Rechtsextreme Gewalt: Am Ostersonntag wird in Potsdam ein schwarzer Deutscher aus Fremdenhass fast totgeschlagen. Traurig, aber wahr: Die Zahl rechtsextremer Straftaten steigt in Deutschland weiter, zuletzt in 2005 um 27 Prozent im Vegleich zum Vorjahr auf 15.361.
Neue Hauptschlagader für Berliner Verkehr
26. Mai 2006: Nach zehn Jahren Bauzeit hat Berlin endlich einen neuen Hauptbahnhof. Mit dem Bahnhof im Herzen der Stadt ändern sich Zugrouten und Fahrpläne in ganz Deutschland. Gegen die falsche Umsetzung seines Entwurfes klagt Architekt Meinhard von Gerkan – mit Erfolg.
Montenegro will unabhängig sein
Montenegro hat entschieden: Rund 55 Prozent aller Montenegriner stimmen am 21. Mai in einem Referendum für die Unabhängigkeit von Serbien. Fortan will Montenegro den Weg Richtung EU alleine gehen.
Irak: Parlament bestätigt Regierung
Fünf Monate nach der Parlamentswahl bestätigen die irakischen Abgeordneten am 20. Mai die Regierung von Ministerpräsident Nuri al-Maliki im Amt.
Schwarz-rot-goldener Farbentaumel
In Deutschland läuft die Fußball-WM im Juni auf Hochtouren und für die deutsche Elf sieht es anfangs gut aus. Im Halbfinale verliert die Klinsmann-Truppe aber im Juli in Berlin gegen Italien.
Israel: Soldat Gilad Shalit entführt
Nach der Entführung des israelischen Soldaten Gilad Shalit durch Palästinenser am 25. Juni greift die israelische Armee wieder verstärkt den Gaza-Streifen an. 2005 war Israel offiziell aus dem Gaza-Streifen abgezogen.
Zu viel Speed
Die Tour de France 2006 wird zum beschämenden Ereignis für den gesamten Radrennsport, mal wieder geht es um Doping. Jan Ullrich vom Team "T-Mobile" wird suspendiert und im Juli aus dem Team entlassen. 1997 hatte er als erster Deutscher die Tour de France gewonnen.
Polnische Doppelspitze
In Polen bestimmt Staatspräsident Lech Kaczynski (links) seinen Zwillingsbruder Jaroslaw am 10. Juli zum neuen Ministerpräsidenten. Kurz zuvor hatte der frühere Ministerpräsident Kazimierz Marcinkiewicz seinen Rücktritt eingereicht.
Wahlen im Kongo
Die Kongolesen wählen Ende Juli Präsident und Parlament neu. Ein Kontingent der EUFOR von 2.000 Mann sichert die Wahl, darunter auch 780 deutsche Soldaten. Die Stichwahl zwischen Amtsinhaber Kabila und Rebellenführer Bemba entscheidet Kabila Ende Oktober mit rund 58 Prozent der Stimmen klar für sich.
Kranker Mann am Golf von Mexiko
Nach über 40 Jahren Alleinherrschaft auf Kuba überträgt Fidel Castro im Juli wegen Krankheit die Macht an seinen Bruder Raul. Vorübergehend, wie es zunächst heißt. Doch im Verlauf des Jahres 2006 verschlechtert sich der gesundheitliche Zustand Castros weiter.
Gehäutete Zwiebel
Mit seinem späten Bekenntnis, Mitglied der Waffen-SS gewesen zu sein, löst Günter Grass im August heftige Debatten in Sachen Vergangenheitsbewältigung aus. Ein gezielter Werbeclou anlässlich der Veröffentlichung seiner Autobiografie "Beim Häuten der Zwiebel"?
Habemus Papam – Benedikt in Deutschland
Es ist die vierte Auslandsreise von Papst Benedikt XVI. Sie wird zum bayerischen Heimspiel – sorgt aber auch für einen Eklat. Bei seinem Deutschlandbesuch im September zitiert der Papst in seiner Regensburger Rede einen byzantinischen Kaiser. Weltweit fassen Muslime das Zitat als Beleidigung des Propheten Mohammed auf.
Robuste Truppe
Kaum ein Thema wird 2006 so heftig debattiert wie der Libanon-Einsatz der deutschen Bundeswehr. Im September entscheidet sich der Bundestag mit Mehrheit für den Einsatz. Seit Oktober kontrolliert die Bundeswehr vor der Küste des Libanon, ob keine Waffen an die Hisbollah geliefert werden.
Transrapid-Unglück
Am 22. September rammt ein Transrapid im Testbetrieb im Emsland ein Hindernis. Traurige Bilanz des Unglücks: 23 Tote. Noch ist unklar, ob Fehler bei der Kontrolle der Strecke gemacht wurden oder menschliches Versagen den Unfall verursachte.
Worte mit Nachwirkungen
In Ungarn kommt es - zeitgleich mit dem 50. Jahrestag des ungarischen Volksaufstands am 23. Oktober - nach umstrittenen Aussagen von Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany zu Ausschreitungen. Er hatte in einer internen Rede zugegeben, die Wahlen im Frühjahr auch wegen der Verschleierung der wahren Haushaltszahlen gewonnen zu haben.
Anna Politkowskaja ermordert
Am 7. Oktober wird die Journalistin Anna Politkowskaja in Moskau erschossen. Die Mitarbeiterin der russischen Zeitung "Nowaja Gaseta" hatte immer wieder über den Tschetschenien-Krieg berichtet – und mit ihren Berichten teilweise offiziellen Verlautbarungen widersprochen.
Schwerer Abschied
Mitarbeiter der Deutschen Welle gedenken mit einer Schweigeminute am 9. Oktober ihrer beiden in Afghanistan getöteten Kollegen. Die freien Mitarbeiter Karen Fischer (30) und Christian Struwe (38) waren am 7. Oktober in Nordafghanistan in ihrem Zelt erschossen worden.
Am Ende der Strecke
Vom Go-Cart zum Ferrari, und mit ihm an die Spitze der Welt: Michael Schumacher verabschiedet sich im Oktober nach 16 Jahren Auto-Rennsport von seinen Fans. Insgesamt sieben Mal wurde der 37 Jahre alte Kerpener mit der WM-Krone der Formel 1 gekrönt.
Totenkopf-Affäre
Die "BILD-Zeitung" löst mit ihrer Veröffentlichung von Soldatenfotos aus Afghanistan einen Skandal aus. Deutsche ISAF-Soldaten posieren darauf mit den Überresten Verstorbener. Zwei Soldaten werden daraufhin am 23. Oktober vom Dienst suspendiert.
Todesurteil gegen Saddam Hussein
5. November: Das irakische Sondertribunal für die Verbrechen des alten Regimes verurteilt Saddam Hussein zum Tode. Der Ex-Diktator wurde für schuldig befunden, 1982 ein Massaker an Schiiten befohlen zu haben. 148 Menschen waren damals in der Stadt Dudschail hingerichtet worden.
Demokraten gewinnen Kongresswahlen
Aus den Kongresswahlen am 7. November gehen die Republikaner als Verlierer hervor. Zwar haben sie mit 49 Stimmen genau so viele Stimmen wie die Demokraten. Die unabhängigen Senatoren Liebermann und Sanders kündigen aber an, künftig mit den Demokraten zu stimmen. Präsident Bush hat damit eine neue Gegenspielerin: Nancy Pelosi, die neue Sprecherin des Abgeordnetenhauses.
Französische Sozialisten mit neuem Gesicht
Am 16. November haben die französischen Sozialisten mit Segolene Royal ihre Kandidatin für die Präsidentschaftswahl 2007 gewählt. Im Frühjahr 2007 wird die 53-Jährige gegen ihre Gegner antreten müssen.
Tod eines Kritikers
Der Ex-Agent und Kreml-Kritiker Alexander Litwinenko stirbt am 23. November in einem britischem Krankenhaus. Er war mit der radioaktiven Substanz Polonium 210 vergiftet worden. Die Spuren seiner Ermordung führen britische Ermittler nach Moskau und nach Hamburg.
Pax vobis! – Papstbesuch überrascht
Entspannung nach monatelangen Querelen: die Türkei-Reise von Papst Bendikt XVI. Ende November stößt bei Vertretern der muslimischen Religion auf ein positives Echo. Auf seiner Reise sorgt der Papst auch für eine Annäherung zwischen Katholiken und Orthodoxen.
Baker-Kommission empfiehlt Truppen-Abzug
Überraschend, was die Baker-Kommission in ihrem Bericht Anfang Dezember vorstellt, und ein Affront gegen Präsident Bush zugleich: Die USA sollen mit dem Abzug ihrer Truppen aus dem Irak beginnen. Schon 2008 könnten alle Kampfbrigaden das Land verlassen haben – so die Berechnung der Kommission.
Pinochet: Tod eines Tyrannen
Am 10. Dezember stirbt der frühere chilenische Militärdikator Augusto Pinochet im Alter von 91 Jahren. Zwischen 1973 und 1990 regierte er Chile mit eiserner Hand: 3.200 Menschen kamen unter seiner Herrschaft ums Leben, mindestens 28.000 wurden hinter Gitter gebracht und gefoltert. Hunderttausende Chilenen flohen ins Exil.
Entscheidung in der türkischen Frage
Am 11. Dezember beschließen die Außenminister der EU, acht der 35 Kapitel der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei einzufrieren. An der Zypern-Frage hatte sich der Streit der Parteien bis zuletzt immer wieder neu entflammt.
Deutscher Taliban?
Fünf Jahre lang wird der Bremer Murat Kurnaz in Guantanamo festgehalten – ohne Anwalt, ordentliches Gerichtsverfahren und ohne Kontakt zur Außenwelt. Ein Aufenthalt mit Folgen - auch für die damalige Bundesregierung. Im Dezember 2006 muss sich Außenminister Steinmeier vor einem Untersuchungsausschuss zum Fall Kurnaz äußern.