Jahrestag Loveparade
24. Juli 2011Immer wenn die Studentin Sabrina Möring mit dem Zug nach Hause zu ihrer Familie fährt, kommt sie am Unglücksgelände vorbei. Die 22-jährige gebürtige Duisburgerin war vor einem Jahr auch auf der Techno-Party. Von den Toten und Verletzten hat sie erst im Nachhinein erfahren. Damals war sie begeistert davon, dass die Loveparade in ihre Heimatstadt geholt wurde. Endlich mal "was richtig Schönes" in Duisburg.
Das sollte es jedenfalls werden: ein Event der Extraklasse für die Jugend und junggebliebene Alte. Dann passiert die Katastrophe - bei einer Massenpanik in einem Tunnel, der zu dem Partygelände führte, wurden 21 Menschen getötet und mehrere hundert verletzt. Sie als Duisburgerin, sagt Sabrina Möring, würde sich in gewisser Weise auch verantwortlich fühlen. "Es ist eine unglaubliche Tragödie, aber es hat mit der Stadt und den Menschen dort nichts zu tun." Mit Sicherheit spräche sie vielen Duisburgern aus dem Herzen "dass man sich oft unwohl fühlt zu sagen, dass man aus dieser Stadt kommt, wo so ein Unglück passiert ist."
Neuer Oberbürgermeister?!
Nach Meinung zahlreicher Duisburger trägt der amtierende Oberbürgermeister Adolf Sauerland eine Mitschuld an der Katastrophe. Obwohl derzeit nicht gegen ihn ermittelt wird, solle er dennoch die politische Verantwortung übernehmen. Die moralische Verantwortung hatte Sauerland nach langem Schweigen erst vor kurzem auf sich genommen und sich zeitgleich bei den Hinterbliebenen und Geschädigten entschuldigt.
Das reicht der Bürgerinitiative "Neuanfang für Duisburg" nicht. Auf der gegenüber liegende Seite des Hauptbahnhofes sitzt Heinrich Henkel hinter einem Klapptisch. Der 81-jährige ehemalige Schulleiter sammelt Unterschriften für die Abwahl des Oberbürgermeisters. Ein Neuanfang für die Stadt ist seiner Meinung nach nur möglich, wenn Sauerland seinen Sessel räumt. Wie mit der Tragödie Loveparade umgegangen worden sei, habe dem Image der Stadt erheblich geschadet. Und dieser Schaden sei im wesentlichen auch dadurch entstanden, dass keiner so richtig die Verantwortung übernehmen wolle.
Gezeichnet und traumatisiert
Daran hat sich bis heute nichts geändert. Über Duisburg liegt die Katastrophe der Loveparade wie ein Schleier. Dabei hat es die 500.000 Einwohner große Stadt ohnehin nicht leicht. Es gibt eine hohe Arbeitslosigkeit und einen großen Schuldenberg.
Alte Vorurteile von einer schmuddeligen Industriestadt leben wieder auf. Alte Negativschlagzeilen werden zitiert, wie etwa die Mafiamorde zwischen verfeindeten Clanmitgliedern vor vier Jahren oder auch die Schlägerei der Rockergruppen Hells Angels mit den Bandidos vor zwei Jahren. Eine Stadt am Abgrund – zumindest in der Wahrnehmung vieler.
Cornelia Schulenburg lebt seit mehr als 40 Jahren in Duisburg. Die 71-jährige ehemalige Lehrerin sammelt ebenfalls Unterschriften gegen den Oberbürgermeister. "Die Stadt und auch die Stadtverwaltung scheinen ziemlich gelähmt zu sein. Es wird nur minimalistisch das gemacht, was gemacht werden muss. Es ist auch so eine Lähmung in der Stadt." Duisburg brauche einen Neuanfang. So sieht das auch die angehende Medienmanagerin Sabrina Möring. Denn irgendwann müsse man "ein bisschen Abstand gewinnen. Um mit der Stadt an sich wieder klar zu kommen."
Wenn sie das nächste Mal zu ihrer Familie nach Duisburg fährt, kommt sie wieder am Gelände der Loveparade vorbei.
Autorin: Petra Nicklis
Redaktion: Pia Gram