"Erholung wird länger dauern"
9. Oktober 2012"Die Weltwirtschaft erholt sich weiter, aber die Erholung wird länger dauern", sagte IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard am Dienstag (09.10.2012) in Tokio bei der Vorlage des jüngsten Weltwirtschaftsausblicks. Damit bestätigte Blanchard das, was Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds, bereits vor einer Woche angekündigt hatte: Die neuesten Prognosen des IWF für das weltweite Wachstum fallen noch einmal düsterer aus als noch im Frühjahr angenommen.
Die Industrieländer werden im nächsten Jahr laut IWF-Prognose nur noch um 1,5 Prozent wachsen und nicht um 1,8 Prozent, wie noch im April angenommen. Die Vorhersage für die Schwellen- und Entwicklungsländer wurde von 5,8 auf 5,6 Prozent zurückgenommen. Für Blanchard sind es die altbekannten Gründe, die das Bild der Weltwirtschaft erneut verdüstern: Die Eurokrise, der Sparzwang der öffentlichen Haushalte, das nach wie vor anfällige Bankensystem. Doch über allem schwebe neuerdings ein generelles Gefühl der Unsicherheit, so Blanchard.
Sorgen über Sorgen
"Sie können es als allgemeine Zukunftsängste bezeichnen. Sorgen, ob die Politik in Europa die Eurokrise in den Griff bekommt, Sorgen, ob sich die Politiker in den USA auf einen Haushaltsplan für das nächste Jahr einigen können, Sorgen, ob die Politiker in Japan das riesige Haushaltsdefizit zurückführen können - das alles spielt eine wichtige Rolle und belastet den Konsum und das Wachstum."
Allerdings sieht Blanchard auch Licht am Ende des Tunnels. Er empfiehlt den Ländern der Eurozone, die Überwachung, Abwicklung und Rekapitalisierung von Banken voranzutreiben - also das zu realisieren, was mit dem Wort Bankenunion bezeichnet wird. Es sei gut, dass diese Probleme nun ernsthaft angegangen würden. Zudem müssten kriselnde Länder wie Spanien und Italien die Möglichkeit bekommen, ihre Banken mit frischem Geld zu versorgen, ohne dass dies sich in neuen Staatsschulden niederschlägt. Wie das passieren soll, ließ er allerdings offen.
Alte Rezepte
Den alten Sorgen begegnet der IWF mit alten Rezepten, die deswegen jedoch nicht falsch sein müssen: "Weitermachen mit der unterstützenden Politik der Zentralbanken, das ist wichtig für das Wachstum. Weitermachen mit der Konsolidierung der Öffentlichen Haushalte, wobei unser Rat noch immer gilt: nicht zu langsam, nicht zu schnell", so Blanchard. Schon mehrfach hatte der IWF davor gewarnt, dass allzu drastische Sparmaßnahmen Konjunktur und Wachstum abwürgen könnten - strukturelle Ziele seien jedoch wichtiger als nominelle.
Das gelte insbesondere für Griechenland und Spanien. Notfalls könnten Ziele angepasst werden wie in Portugal, wo statt drei Prozent Staatsdefizit erst einmal nur vier Prozent angestrebt würden. "Manche Puzzleteile passen schon, und wenn es uns gelingt, das Puzzle rasch zu lösen, dann gibt es die berechtigte Hoffnung, dass wir das Schlimmste bereits hinter uns haben", so Blanchard.
Wird Deutschland angesteckt?
Auch für Deutschland hat der IWF nachlassende Wachstumsraten vorausgesagt. Deutschland werde die Krisen seiner Nachbarländer zu spüren bekommen, sagt Jörg Decressin, stellvertretender Direktor der Forschungsabteilung des IWF. Allerdings sieht er die deutsche Wirtschaft nicht wie die OECD bereits in einer Rezession. "Für 2012 haben wir unsere Vorhersage praktisch nicht verändert, Exporte und privater Verbrauch fallen etwas stärker aus, die Investitionen lassen nach", so Decressin.
Doch für das nächste Jahr hat der IWF die Wachstumsprognose für Deutschland von 1,4 auf 0,9 Prozent revidiert. "Die Schwäche rund um Deutschland, in den Randländern der Eurozone, aber auch anderswo in der Welt, die wird die deutsche Wirtschaft beeinträchtigen, denn es ist eine sehr offene Wirtschaft", sagt Decressin. "Die Investitionen, die in Deutschland schon jetzt nachlassen, werden nächstes Jahr noch stärker zurückgehen, und das wird auf dem deutschen Wachstum lasten."