IWF-Chefin Lagarde: „In Europa verändern sich die Dinge nur durch Krisen“
4. Oktober 2013Auf die Frage, ob sie an eine deutsche Mitwirkung glaube, sagte Lagarde:
„In Europa, wie schon seine Gründer bemerkt haben, verändern sich die Dinge nur durch Krisen. Die Euro-Krise hat zu einer Transformation geführt. Es gibt eine neue Entschlossenheit, die Eurozone zu strukturieren: mit Rücksicht auf Währung, Bankenunion und besserer Integration bezüglich der Fiskalpolitik. Ich bin mir sicher, dass es auf dem Weg noch viele Hindernisse und Schwierigkeiten geben wird; aber die Reise geht ständig weiter in Richtung mehr Integration.“
Schon jetzt gebe es viel mehr finanzpolitische Integration:
„Wie Sie wissen, hörte es sich noch vor einem Jahr ketzerisch an, eine Bankenunion zu propagieren. Nun ist die Situation bereits anders und es gibt einen klaren Wunsch nach einer Union und diese umzusetzen mit allen Schritten, die dafür nötig sind: angemessene Bilanztests, Stress-Testing, gemeinsame Absicherung und alle Faktoren, die eine anständige Bankenunion ausmachen. Das ist der Weg zur Fiskalunion – langfristig gesehen.“
Zur Lage in Griechenland sagte die IWF-Chefin:
„Es hat sehr signifikanter struktureller Reformen bedurft und das ist ein Prozess, den das Land mit großen Opfern durchstehen musste, doch wir hoffen, sie werden bald 'die Kurve kriegen'. Es handelt sich um ein Land, welches zurzeit einen, wenn auch sehr kleinen, Überschuss aufweist.“
Lagarde räumte zugleich ein, den „fiskalischen Multiplikator-Effekt einer kombinierten Haushaltskonsolidierung rund um die Eurozone“ unterschätzt zu haben und plädierte erneut für mehr Wachstumspolitik in der Eurozone: „Wir haben Disziplin immer propagiert. Wenn die Ziele gesteckt sind, sollten sie auch respektiert werden. Was wir aber auch sagen, ist, dass Wachstum und eine in Konsolidierung mündende Fiskalpolitik sich nicht gegenseitig ausschließen. Gleichzeitig sehen wir, dass das Tempo einer Haushaltskonsolidierung und die Art der Maßnahmen, die dazu notwendig werden, jeweils angepasst werden müssen, um Wachstum zu gewährleisten.“
Um zu verhindern, dass sich eine globale Krise wie 2008 wiederholt, sei noch einiges zu tun, so Christine Lagarde:
„Wir müssen gemeinsam noch viel Arbeit erledigen, zum Beispiel bei der Reform des Finanzsektors. Die Überschüsse des Finanzsektors haben im Zusammenhang mit der damaligen Vernetzung die massive Krise der letzten fünf Jahre herbeigeführt. Das muss reformiert werden und die Reform muss bis zum Ende durchgeführt werden. Das ist eine Mission, die noch nicht erfüllt ist.“ Mit Blick auf den US-amerikanischen Haushaltsstreit mahnte Lagarde in diesem Zusammenhang, „eine der größten Volkswirtschaften der Welt (habe) eine globale Verantwortung“.
Zu Kritik aus Entwicklungs- und Schwellenländern, dass im letzten Geschäftsjahr des IWF 90 Prozent aller Kredite an Europa gingen, sagte Lagarde:
„Was die ganze Welt braucht, ist Stabilität. Wenn ein großer Brocken der globalen Wirtschaft in Auflösung begriffen ist und keine Unterstützung erfährt, wo also die Stabilität nicht wiederhergestellt wird, da lauert Gefahr für die Gemeinschaft. Es kann immer sein, dass wir uns für einige Jahre oder Jahrzehnte mit all unseren Energien und Ressourcen auf eine spezielle Region in der Welt konzentrieren müssen – das liegt nun mal in der Natur unserer Mission. Wir helfen da, wo Hilfe notwendig ist.“
Auf die Frage, warum Ägypten keine Kredite bekomme, erklärte die IWF-Direktorin:
„Was für eine Partnerschaft mit dem Währungsfonds als unerlässlich gilt, ist weitgreifende politische Unterstützung und eine starke Bereitschaft zu Disziplin und Reformen, die zur Behebung der Situation notwendig sind, um Stabilisierung und Jobs für die Leute zu schaffen. Sobald diese Voraussetzungen da sind, springen wir ein. Wir haben mit den Ägyptern über die letzten Monate viel zusammengearbeitet und das wird auch so weiter gehen.“
Journal Interview auf DW: Das vollständige Interview können Sie über das Media Center jederzeit abrufen.
4. Oktober 2013
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