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ReiseItalien

Italien: Welterbe Venedig auf dem Prüfstand

5. September 2023

Wegen Massentourismus und Klimawandel: Das UNESCO-Komitee prüft erneut, ob es die Lagunenstadt Venedig als bedroht einstuft. Die Reaktionen aus Italien sind schroff.

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Ein Schnellboot fährt unter Venedigs Ponte dell'Accademia-Bücke hindruch
Venedig ist für seine charmanten Kanäle und unzähligen Brücken bekanntBild: Dmitry Rukhlenko/imagebroker/IMAGO

In Venedig ist man Ärger gewohnt: Seit Jahren gibt es immer wieder Diskussionen um den Welterbestatus der Lagunenstadt. Schon in der Vergangenheit drohte sie auf der Liste der gefährdeten UNESCO-Stätten zu landen. Bei der 45. Tagung des Welterbe-Komitees in Riad vom 10. bis 25. September kommt es nun erneut zur Abstimmung darüber, nachdem Experten Ende Juli eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen hatten.

Harsche Reaktion aus Rom

Venedigs Stadtverwaltung will sich zu dem Thema am liebsten gar nicht mehr äußern und verweist auf die Regierung in Rom, die dafür zuständig sei. Dort fällt die Reaktion ziemlich harsch aus: Kulturstaatssekretär Vittorio Sgarbi kritisiert die Äußerungen der UNESCO in einer Pressemitteilung als "alarmistisch". "Venedigs Vorrangstellung als Weltkulturerbe muss von niemandem außer seiner Geschichte bestätigt werden." Die Feststellungen der UNESCO seien offensichtlich, aber sie dürften nicht als Druckmittel benutzt werden.

Experten hatten in einem Bericht vor "irreparablen" Veränderungen durch übermäßige Bauaktivität, Klimawandel und Massentourismus gewarnt. Die von den lokalen und nationalen Behörden ergriffenen Gegenmaßnahmen reichten bei weitem nicht aus. Deshalb empfehle man, Venedig als gefährdete Welterbestätte einzustufen. Man hoffe, dass dies zu "größerem Engagement und Mobilisierung" aller Akteure führe und die Entwicklung "wirksamer und nachhaltiger Korrekturmaßnahmen für diese seit langem bestehenden Probleme" begünstige, so der UNESCO-Bericht.

Ein Kreuzfahrtschiff nahe Venedigs Altstadt
Der Kreuzfahrttourismus ist in Venedig besonders umstritten. Mittlerweile können die Schiffe nicht mehr ganz so nah an der Altstadt festmachen.Bild: Vandeville Eric/ABACA/picture alliance

Hochhäuser könnten das Panorama verschandeln

Konkrete Gefahren für die Stadt gehen demzufolge von mehreren Bauvorhaben in der näheren Umgebung aus, unter anderem Hochhäusern, die "bedeutende visuelle Auswirkungen" hätten, wie es heißt. Der durch den Klimawandel bedingte Meeresspiegelanstieg sowie Extremwetterereignisse bedrohten die historische Bausubstanz. Die fortschreitende Umwandlung von Wohnraum in touristische Unterkünfte schade der kulturellen und sozialen Identität der Stadt. "Viele der Probleme, die einzeln eine Bedrohung darstellen, aber auch kumulative negative Auswirkungen haben, bleiben ungelöst oder werden nur vorübergehend angegangen."

Der ehemalige Bürgermeister Venedigs, der Philosoph Massimo Cacciari, äußerte sich kritisch über den Experten-Bericht. "Als ob Venedig die UNESCO bräuchte, um eine Bereicherung für die Menschheit zu sein!", sagte er der italienischen Nachrichtenagentur Adnkronos. Natürlich gebe es Probleme, unter denen die Stadt leide. Massentourismus existiere aber auch in Florenz oder Rom. Die italienische Wirtschaft stütze sich nun einmal wesentlich auf das Geschäft mit den Urlaubern. "Zum Glück gibt es den Tourismus", sagte Cacciari. "Wollen wir den verlieren, weil die UNESCO uns sagt, dass er schädlich ist?"

Der Markusplatz ist nach starken Regenfällen überflutet.
Immer wieder kommt es in Venedig zu Überschwemmungen. Der Klimawandel verschärft das Problem.Bild: Anteo Marinoni/LaPresse/Zuma/dpa/picture alliance

Zustimmung kam dagegen von Lidia Fersuoch, Präsidentin der Denkmalschutzvereinigung Italia Nostra in Venedig, die sich bereits im Jahr 2011 mit der Bitte an die UNESCO gewandt hatte, die Stadt auf die Liste der gefährdeten Welterbestätten zu setzen. Schon damals seien "die universellen Werte, die der Aufnahme in die Welterbeliste zugrunde lagen, im Verschwinden begriffen" gewesen, sagte sie kürzlich in einem Interview mit der Tageszeitung "La Repubblica".

Dramatische Situation der Stadt und Lagune für alle sichtbar

Venedig steht seit 1987 auf der UNESCO-Welterbeliste, die derzeit weltweit 1157 Stätten umfasst. "Die Stadt ist eine einzigartige künstlerische Meisterleistung", heißt es in der Begründung. Sie verfüge über eine "unvergleichliche Zahl architektonischer Ensembles" und symbolisiere den siegreichen Kampf des Menschen über eine feindliche Umwelt. Venedig erstreckt sich nämlich über 118 kleine Inseln, was über die Jahrhunderte enorme architektonische Anstrengungen erforderlich machte. Dazu kommt, dass die Lagune ein herausragendes Beispiel für einen "halbländlichen Lebensraum" sei.

Die UNESCO betont derweil, dass es sich bei der Einstufung als gefährdete Welterbestätte nicht um eine Strafe oder eine Verwarnung handele, sondern "um einen Mechanismus, um diese außergewöhnlichen Orte für kommende Generationen zu bewahren", wie Peter Martin von der Deutschen UNESCO-Kommission erklärt. "Damit das gelingt, macht das Welterbe-Komitee konkrete Vorgaben, wie Gefahren vom Welterbe abgewandt werden können und formuliert Empfehlungen." Derzeit befinden sich 55 Stätten auf der sogenannten Roten Liste.

Ein Blick auf die Waldschlösschenbrücke in Dresden
Dresdens Waldschlösschenbrücke kostete die Stadt ihren UNESCO-Welterbestatus Bild: DW/I.Metzner

Zuletzt verlor Liverpool den Welterbestatus

Dass dieses Vorgehen erfolgreich sei, belegen laut Martin Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit, wie etwa der Nationalpark Salonga in der Demokratischen Republik Kongo, der dank verschiedener Schutzmaßnahmen im Sommer 2021 wieder als nicht mehr gefährdet eingestuft wurde. Bereits zwei Jahre zuvor war nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten die Geburtskirche Jesu in Bethlehem wieder von der Roten Liste genommen worden. Umgekehrt wurde überhaupt erst in drei Fällen der Welterbestatus wieder komplett aberkannt. Neben der Kulturlandschaft Dresdner Elbtal und dem Wildschutzgebiet der Arabischen Oryx im Oman zuletzt im Sommer 2021 Liverpool. Davon allerdings ist Venedig derzeit noch weit entfernt.

Jonas Martiny -  Travel Online-Autor
Jonas Martiny Reporter, Korrespondent