Renzis Rücktritt auf Eis
6. Dezember 2016Am Abend reichte Matteo Renzi offiziell seinen Rücktritt beim italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella ein. Der nahm den Rücktritt nach dem überwältigenden Nein der Italiener zu Renzis Reformpolitik an. Da sich die Parteien im Parlament aber noch auf keine Übergangs-Regierungschef einigen konnten, fror Präsident Mattarella den Rücktritt kurzerhand bis kommenden Freitag ein. Dieser "eingefrorene Rücktritt" ist eine italienische Spezialität wie Gelato, witzelte eine Korrespondentin des staatlichen Fernsenders RAI vor dem Amtssitz des Ministerpräsidenten. 59 Prozent der Wähler schickten "Renzi nach Hause". Das war einer der zentralen Forderungen der Opposition aus linken und rechten Populisten, aber auch der bürgerlichen Mitte. So fanden sich auch Kommunisten und Neofaschisten in der großen Anti-Renzi-Koalition zusammen.
Den ganzen Montag über verhandelte Renzi mit dem Staatspräsidenten ohne Erfolg darüber, wer sein Nachfolger werden und eine Übergangsregierung bis zu den nächsten Parlamentswahlen führen könnte. Der Übergangspremier, genannt werden unter anderem Finanzminister Pier Carlo Padoan oder Senatspräsident Pietro Grasso, müsste vor allem ein neues Wahlrecht mit den zerstrittenen Fraktionen im Parlament aushandeln. Denn ohne die Zustimmung zur Verfassungsreform gibt es im Moment auch kein gültiges Wahlgesetz. Innenminister Angelino Alfano, der eine konservative Splitterpartei führt, geht von Neuwahlen im Februar aus.
Grillo fordert sofortige Parlamentswahl
Beppe Grillo, der populistische Anführer der größten Oppositionsgruppe im Parlament, forderte auf seiner Internetseite: "Neuwahlen nächste Woche! Wir sind bereit!" Doch so schnell und so einfach wird es wohl nicht gehen. Grillo kündigte an, seine Bewegung der "Fünf Sterne", die nach einer Musikband benannt ist, werde sich jetzt erstmals ein Programm geben und eine Regierungsmannschaft benennen. Der Anführer der rechtsradikalen Separatisten von der Lega Nord, Matteo Salvini, triumphierte ebenfalls und fordert umgehende Neuwahlen. Wahlen will auch die "Forza Italia" aus dem bürgerlichen Lager durchsetzen. Allerdings brauche Italien jetzt erst einmal ein neues Wahlrecht, räumte die "Forza Italia"-Politikerin Deborah Bergamini im Gespräch mit der Deutschen Welle ein. Als Ministerpräsident würde für die "Forza Italia" dann ein alter Bekannter kandidieren, kündigte sie an: Silvio Berlusconi, ehemals skandalträchtiger Premier, inzwischen 80 Jahre alt.
Römer bleiben gelassen
Die Passanten in Rom, mit denen die DW im Laufe des Tages gesprochen hat, nehmen das politische Hickhack am Tag nach dem Referendum sportlich. "Es wird schon irgendwie weitergehen. Die Welt geht davon nicht unter. Hauptsache, es kümmert sich jemand, um die wirtschaftlichen Sorgen." So lauteten überwiegend die Antworten. Wenige Wähler fürchten sich vor den instabilen Zuständen in den nächsten Wochen oder Monaten. In den italienischen Fernsehkanälen werden die Nachwehen des Referendums eher wie ein Fußballspiel behandelt. Es geht um Taktik, Punkte, Finten und Spielvarianten, nicht so sehr um die realen Folgen für die Wirtschafts- und Finanzpolitik. Immerhin soll der "eingefrorene" Ministerpräsident Renzi bis Freitag noch dafür sorgen, dass der Haushalt 2017 durchs Parlament kommt.
Finanzmärkte bleiben ruhig
Relativ locker haben die europäischen und internationalen Finanzmärkte das "Nein" zu Reformen aus Italien verdaut. Anfängliche Verluste wurden wieder wettgemacht. Nur italienischen Banktitel litten. In ernsthafte Schwierigkeiten könnte nach Meinung des "Instituts der Deutschen Wirtschaft" (IW) die drittgrößte Bank des Landes "Monte dei Paschi di Siena" geraten. Sie sitzt auf zu vielen faulen Krediten und muss bis zum Jahresende fünf Milliarden Euro an frischem Eigenkapital auftreiben. Das wird jetzt wohl schwieriger. Gelingt das der Banca nicht, könnte die Europäische Zentralbank auf eine Abwicklung des Instituts drängen. Eine handfeste Bankenkrise, die sich zur Finanzkrise für Italien ausweiten könnte, wäre die Folge. Bei der Europäischen Union wird die neue Unsicherheit in Italien nervös beobachtet. Die Kosten für die Finanzierung der italienischen Staatsschulden steigen weiter langsam an. Sie liegen im Moment zwei Prozent über den Kosten für deutsche Staatsanleihen. Damit ist der "Spread", der Abstand, doppelt so hoch wie im Frühjahr.
Finanzminister: Krise nicht herbeireden
Die Finanzminister der Euro-Staaten räumten in Brüssel ein, dass im Moment nicht mit weiteren Haushalts wirksamen Maßnahmen der italienischen Regierung zu rechnen sei. Die wären eigentlich nötig, um den Haushalt 2017 europarechtlich sauber abzuwickeln. Der eingereichte Haushaltsentwurf der gescheiterten Regierung Renzi enthält erhebliche Risiken. Ansonsten pfeift man im Walde. Der scheidende Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, sagte voraus, dass Italien die unsicheren Zeiten schon überstehen werde. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, sah keinen Grund, von einer neuen Krise zu sprechen. In der kommenden Woche können die EU-Staats- und Regierungschefs über den jüngsten Erfolg populistischer Strömungen beraten. Die Frage ist nur, wer dann Italien am großen Konferenztisch in Brüssel vertreten wird.