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Italien: Renzi räumt auf

Johanna Schmeller26. Februar 2014

Der neue Ministerpräsident will Steuererleichterungen, Arbeitsmarktreformen, mehr Produktivität und kleinere Lohnstückkosten. Doch zunächst muss er sich gegen bürokatische Verkrustungen durchsetzen.

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Italienische Flagge am Palazzo Montecitorio in Rom. Foto: robertovell - Fotolia
Bild: Fotolia/robertovell

Nicht weniger als "wirtschaftliche Revolutionen" hat Matteo Renzi seinem Volk angekündigt. Ein halbes Jahr, bevor Italien die Europäische Ratspräsidentschaft im Sommer turnusmäßig übernehmen wird, scheint die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone wirtschaftspolitisch zum Schumuddelkind Europas abgerutscht zu sein: Die Wirtschaftsleistung stagniert, die Arbeitslosenquote ist mit knapp 13 Prozent auf den höchsten Wert seit den Siebzigerjahren gestiegen. Die italienischen Staatsschulden betragen zwei Billionen Euro - und damit 130 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

"Italien steht schlecht da", sagt der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, im DW-Gespräch. "Die politischen Eliten üben sich in Reformverweigerung - also eine wirtschaftlich ziemlich bedrückende Situation."

Renzi, der Reformator?

Mit der Reformverweigerung zumindest soll es nun ein Ende haben. Ausdrücklich warf Matteo Renzi, mit erst 39 Jahren der jüngste Ministerpräsident Italiens aller Zeiten, seinem Parteigenossen und Amtsvorgänger Enrico Letta dessen mangelnden Gestaltungswillen vor - und betonte seine eigene dynamische Linie: "Für diese Regierung gibt es keine Alibis mehr", bekräftigte er vor den beiden Kammern des italienischen Senats.

Ministerpräsident Matteo Renzi. Foto: Remo Casilli/Reuters
Europafreundlich, reformwillig - so präsentiert sich Ministerpräsident Matteo RenziBild: Reuters

Zum einen soll das Arbeitsrecht vereinfacht und die bisher über 40 verschiedenen Beschäftigungsarten vereinheitlicht werden. Der Kündigungsschutz soll gelockert und an die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses geknüpft, die Steuervergünstigungen für Unternehmen, die junge Arbeitnehmer beschäftigen, verlängert werden - von derzeit 18 auf dann 36 Monate.

Die italienischen Unternehmen will Renzi mit geringeren Lohn- und Energieabgaben entlasten, die wiederum durch eine Verringerung der öffentlichen Ausgaben finanziert werden sollen - also nicht durch Steuererhöhungen. Und auch der Abbau bürokratischer Strukturen steht ganz oben auf Renzis Agenda. Jürgen Michels, Chefvolkswirt der Bayerischen Landesbank, bezweifelt allerdings, ob Renzis Reformen in der momentanen Situation überhaupt durchsetzbar sein werden: "Auch Mario Monti hatte eine ambitionierte Agenda, die letztendlich gescheitert ist", so Michels im DW-Interview. Gerade mit der Arbeitsmarktreform habe sich Renzi gleich zu Beginn einen "richtig großen Brocken" aufgeladen.

Matteo Renzis Amtsvorgänger und Parteigenosse Enrico Letta. Foto: Remo Casilli/ Reuters
Matteo Renzis Amtsvorgänger und Parteigenosse Enrico Letta.Bild: Reuters

Alte, neue Reformvorhaben

Ähnliche Reformen hatte bereits die Regierung Monti im Jahr 2012 versucht, war aber an den bürokratischen Realitäten und politischen Unklarheiten gescheitert. Monti wollte die - weitgehend unter der Regierung Berlusconi erlassenen - komplexen Beschäftigungstypen zurückzudrängen und die Schlichtung von arbeitsrechtlichen Streitfragen durch Schiedsverfahren zu vereinfachen. Starke Gewerkschaften, eine Verknüpfung von Teuerungsrate und Tariflöhnen sowie mangelnde Kooperation zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern hatten das Produktivitätswachstum ausgebremst. Steigende Löhne trotz schwacher Wirtschaftslage lähmten die Unternehmen zunehmend.

Italienisches Parlament in Rom. Foto: Tony Gentile/Reuters
Neue Regierung, alte Probleme: Ein Blick ins italienische Parlament in RomBild: Reuters

Allerdings, räumt Michels ein, "war Monti Technokrat. Matteo Renzi ist als Politiker sicher besser aufgestellt, seine Pläne durchzuziehen." Vor den wirtschaftlichen Neuerungen müsse die angekündigte Verfassungsreform vollendet werden.

Europa - "kein Feind" Italiens

Noch gibt Renzi sich betont pro-europäisch: Europa sei nicht der Feind Italiens. Die Wirtschaftskrise der europäischen Währungsunion anzulasten, so der frühere Bürgermeister von Florenz in seiner Rede vor dem Senat, bedeute, die Geschichte Italiens zu negieren.

Mario Monti. Foto: Riccardo De Luca
Mit ähnlichen Reformen gescheitert: Mario MontiBild: picture-alliance/dpa

Zugleich stellt die Währungsunion Italien allerdings vor eine Herausforderung, glaubt Krämer: "Italien kann nicht mehr einfach die eigene Währung abwerten und seine Probleme so kaschieren." Das bedeute aber auch, dass die Europäische Zentralbank weiter unter Druck stehe - denn umgekehrt sei der "Abstieg Italiens" ein Risiko für die Währungsunion: "Die Europäische Zentralbank ist derzeit eine Gefangene der italienischen Politik."

Ökonom Michels rechnet deshalb mittelfristig mit Protest aus Brüssel: Ein Scheitern seiner Reformpläne könne zu Turbulenzen im gesamten Euroraum führen.

Warme Worte aus Straßburg

Doch vorerst wird der Regierungswechsel an der Spitze Italiens auch in Straßburg und Brüssel als hoffnungsvolles Zeichen gewertet. EU-Währungskommissar Olli Rehn sagte gegenüber deutschen Agenturen, er sei zuversichtlich, dass die neue italienische Regierung die eingegangenen Verpflichtungen respektiere. Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit Wirtschaftsminister Piercarlo Padoan, der mit 64 Jahren das älteste Regierungsmitglied im Kabinett Renzi ist. Vorher war Padoan Chefökonom der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris.

Der 64-jährige Ökonom Piercarlo Padoan. Foto: Tony Gentile/ Reuters
Soll's richten: Der 64-jährige Ökonom Piercarlo PadoanBild: Reuters

Gegenüber der italienischen Tageszeitung "La Stampa" betonte Rehn sein Vertrauen in den neuen Wirtschaftsminister: "Padoan weiß, was zu tun ist." Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer sieht Italiens Wirtschaft im "Würgegriff einer völlig ineffizienten staatlichen Verwaltung". Ob die neue Regierung den lösen kann, bleibt abzuwarten.