1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Istanbuler Studenten versus Erdogan

2. Februar 2021

Die Bosporus-Universität, ist eine der führenden Hochschulen der Türkei. Und sie wählt ihre Rektoren aus den eigenen Reihen - normalerweise. Wenn nicht Präsident Recep Tayyip Erdogan eingreift.

https://p.dw.com/p/3ohF9
Proteste an der Bogazici Universität in Istanbul: "Druck schreckt uns nicht ab"
Proteste an der Bogazici Universität in Istanbul: "Druck schreckt uns nicht ab" Bild: Ozan Kose/AFP/Getty Images

Seit rund einem Monat demonstrieren die Studierenden der Istanbuler Bogazici-Universität gegen den neuen Rektor Melih Bulu. Er steht der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP nahe und wurde von Präsident Recep Tayyip Erdogan eingesetzt. Der türkische Staatschef setzt seit Langem alles daran, seinen Einfluss auf die Hochschulen auszubauen.

Inzwischen gehen die Behörden massiv gegen die demonstrierende Studenten vor. Am Montag seien in der Metropole 159 Studenten festgenommen worden, heißt es aus dem Amt des Gouverneurs von Istanbul. Sie hätten sich geweigert, ihre Versammlung aufzulösen, und das Büro des Rektors umzingelt.

Kunst, die anstößt

Am Abend drangen Polizisten dann sogar auf das Hochschulgelände vor und nahmen mindestens 20 weitere Studenten fest. Auf dem Campus, zu dem nur Studierende Zugang haben, gab es Gerangel mit Sicherheitskräften. Internet-Videos zeigen, mit welcher Härte die Einsatzkräfte gegen die Demonstranten vorgingen. Die Polizei sperrte die Gegend um die Universität großräumig ab und hinderte Studenten wohl daran, den Campus zu verlassen und eine Presseerklärung zu verlesen.

Polizei und Sicherheitskräfte riegeln die Bogazici Universität ab
Polizei und Sicherheitskräfte riegeln die Bogazici Universität abBild: Ozan Kose/AFP/Getty Images

Der neuerliche Protest hatte sich an der Verhaftung von vier Studierenden wegen eines umstrittenen Kunstwerks entzündet. Das Bild war Teil einer Ausstellung auf dem Campus und zeigt eine Szene rund um das muslimische Heiligtum in Saudi-Arabien, die Kabaa, die fast vollständig von einem mythischen Wesen verdeckt ist. Den Rand des Bildes zieren LGBT+-Flaggen. LGBT+ steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transmenschen - und das Pluszeichen als Platzhalter für weitere Identitäten.

"Aufwiegelung zu Hass und Feindschaft"

Das Bild wurde unter anderem von der islamischen Gruppe der Studentinnen und Studenten der Bogazici-Universität als beleidigend kritisiert. Der Anwalt der Verhafteten, Levent Piskin, sagte der Deutschen Presse-Agentur, seinen Mandanten sei zunächst "Herabwürdigung religiöser Werte", später dann aber "Aufwiegelung des Volkes zu Hass und Feindschaft" vorgeworfen worden. Nach Ansicht des Juristen liegt "überhaupt keine Straftat" vor. Zwei der Festgenommenen befinden sich noch immer in Haft, die beiden anderen stehen unter Hausarrest.

Studierende der Bogazici Universität demonstrieren in Istanbul
Studierende der Bogazici Universität demonstrieren in IstanbulBild: DHA

Präsident Erdogan ging am Montag bei einer Rede indirekt auf den Vorfall ein und warf der LGBT+-Bewegung Vandalismus vor. "Wir werden unsere Jugend in die Zukunft führen, nicht als LGBT-Jugend, sondern als die Jugend, wie sie in der glorreichen Vergangenheit unseres Landes existierte", sagte der Präsident in einer Fernsehansprache an Jungmitglieder seiner Regierungspartei AKP.

Erdogan denkt schon weiter

Auf einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Ankara brachte Erdogan eine neue Verfassung ins Spiel - womöglich, um über das Jahr 2028 hinaus im Amt zu bleiben. "Es ist klar, dass die Quelle der Probleme der Türkei darin liegt, dass ihre Verfassungen immer von Putschisten geschrieben wurden", sagte der Präsident.

rb/AR (AFP, ap, dpa, rtr)