Polen schmeckt Frauenrechts-Abkommen nicht
27. Juli 2020Die Istanbul-Konvention des Europarats enthalte Bestimmungen "ideologischer Natur", die er nicht akzeptieren könne und für schädlich halte, erklärte der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro. Er werde deshalb dem zuständigen Familienministerium noch an diesem Montag einen Rückzug aus dem Abkommen vorschlagen. Ziobro ist Gründer der national-konservativen Partei "Solidarisches Polen" (SP), einer Abspaltung der Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki.
2012 war die Istanbul-Konvention von der damaligen gemäßigten polnischen Regierung unterzeichnet und 2015 ratifiziert worden. Das Abkommen verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, jegliche Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie alle Formen häuslicher Gewalt als Verbrechen einzustufen und sich gegen die Diskriminierung von Frauen einzusetzen. Einige EU-Staaten wie Ungarn und die Slowakei haben die Konvention bis heute nicht ratifiziert.
"Großer Schritt zurück"
Die Generalsekretärin des Europarats, Marija Pejcinovic Buric, reagierte "alarmiert" auf Ziobros Ankündigung. Ein Austritt Polens aus der Konvention wäre "ein großer Schritt zurück für den Schutz von Frauen vor Gewalt in Europa". Sollte es Missverständnisse über die Konvention geben, sei man bereit, diese in einem konstruktiven Dialog auszuräumen.
Auch führende Abgeordnete des Europaparlaments verurteilten den Vorstoß. Die Fraktionschefin der Sozialdemokraten, Iratxe García Pérez aus Spanien, sprach von einer "schändlichen" Entscheidung. Der Vorsitzende der liberalen Fraktion "Renew Europe", der rumänische Ex-Regierungschef Dacian Ciolos, kritisierte die Ankündigung als "erbärmlichen Schritt" einiger Regierungsmitglieder "zur Demonstration ihres Konservativismus".
wa/pgr (afp, dpa)